1’D1’-Einheitstenderlok

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Wirklich ungeliebt war der 86 in der Nachkriegszeit nur bei den CSD, die einen Großteil der schadhaften Loks nicht mehr reparierte und den Rest alsbald als Werkloks verkaufte. DB, DR, ÖBB und PKP (neue Reihenbezeichnung dort TKt 3) schätzten die robuste und vielseitig verwendbare Lok und verzichteten nur auf einige total zerstörte Exemplare.

In den 1950er- und 1960er-Jahren fand man die 86 in Oberbayern, im Allgäu, in der Schwäbischen Alb, im nördlichen Schwarzwald, im Pfälzer Bergland, an der Saar, in der Eifel, im Hunsrück, im Sauerland, im Harz, im Weserbergland, in der Rhön, in Mittel- und Oberfranken, im Fichtelgebirge, im Oberpfälzer Wald und im Bayerischen Wald (DB), im Harzvorland, im Erzgebirge und in der Oberlausitz (DR), im Riesengebirge (PKP) und im steirischen-kärtnerischen Bergland (ÖBB).

Außer auf den angestammten Nebenbahnen liefen sie auch auf anschließenden Hauptstrecken, gelegentlich sogar vor Eilzügen. Im Großraum Frankfurt (Main) wurde sie zur typischen Nahverkehrslok. Eine Spezialität war der Einsatz von 86ern mit Windleitblechen auf der Insel Usedom.

Die systematische Ausmusterung fand bei den einzelnen Verwaltungen wie folgt statt:
DB    1963 – 1974
DR    1972 – 1978
PKP    1967 – 1975
ÖBB    1966 – 1972

In beiden Teilen Deutschlands wurde die 86 ein Opfer nicht so sehr der Elektrifizierung, der Streckenstilllegung oder des Schienenbusses als vielmehr der V 100 in westlicher und östlicher Gestalt.

Leben nach dem Leben
Energiewirtschaftlicher Probleme führten dazu, dass die Ausmusterung der 86 durch die Deutsche Reichsbahn 1978 gestoppt wurde. Inzwischen mit EDV-Nummern wurden 86 1001, 1049, 1056, 1245, 1333 und 1501 fortan als Heizloks und in Reservediensten verwendet. Nach dem Ausscheiden der 86 1245 blieb noch eine treue Fünfergruppe aktiv.

Nicht nur in beiden Teilen Deutschlands, sondern in der ganzen dampfbegeisterten Welt wurde es als kleines Wunder vermerkt, dass die 86 mit Beginn des Sommerfahrplans 1982 wieder den gesamten Regelbetrieb auf der idyllischen Strecke Schlettau – Crottendorf im Erzgebirge übernahm. Fotografen waren zu jeder Jahreszeit zugegen. Aber: Alles hat ein Ende. Am 26. Mai 1988 wurde die Einstellung des Dampfbetriebs angeordnet.

Aber auch in dem seither fast schon vergangenen Vierteljahrhundert gab es viele Fahrten mit erhaltenen Lokomotiven. Die 86 001 blieb bis 1999 in Sachsen aktiv, 86 457 ging 1985 als betriebsfähige Museumslok der Bundesbahn unter Dampf und wurde leider am 17. Oktober 2005 ein Opfer des Brandes im Museumsschuppen in Nürnberg. Die 86 501 erwachte anno 2003 in Österreich zu neuem Leben. Heute finden wir die 86 333 in jedem Sommer auf der „Sauschwänzlebahn“ im südlichsten Schwarzwald.

Die Bilanz
Die 86 war keine Glanzleistung, aber auch keine Fehlkonstruktion. Sie wurde vom Lokpersonal weder geliebt noch gehasst. Sie gehörte genau wie ihre leichtfüßigere Schwester 64 und die 44 und 50, wie 38 und 78, wie 01 und 03 oder 55, 57, 93 und 94 zu dem im wahrsten Sinne des Wortes eisernen Alltag deutscher Eisenbahnen im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts.

Von Andreas Knipping

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 06/12.
 

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