29 Promille Steigung

Seiten


Eichicht, das heutige Kaulsdorf, war seit 1871 der südliche Endpunkt einer Linie von Gera über Weida und Saalfeld. 1874 eröffnete die Saalbahn ihre Strecke von Saalfeld über Jena nach Großheringen. Weiter nördlich waren Halle, Leipzig und Berlin längst per Schiene verbunden. Doch die private Saalbahn dachte so weit nicht, die Strecke mündete in Großheringen „verkehrt herum“, in Richtung Erfurt, ein.

Auch dort also rein regionale Interessen, kein Denken über den Tellerrand hinaus, offenbar war die Zeit nicht reif. Man fuhr, wenn man denn von Bayern nach Preußen wollte, über Hof, das Vogtland und Leipzig, durch Sachsen. Erst 1874 kam wieder Bewegung in die Sache: Und wieder war Bayern aktiv: Man verhandelte mit den thüringischen Fürstentümern Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt und mit Preußen über eine Verbindung von Stockheim bis Eichicht.

Das dauerte! Erst 1882 begannen erste Rodungsarbeiten bei Steinbach. Und am 1 . Oktober 1885 fuhr der erste Zug über den Frankenwald. Die Strecke war durchgehend zweigleisig und wies Steigungen bis zu 29 Promille auf. Ein zuerst vorgesehener Scheiteltunnel wurde nicht verwirklicht. So kam man mit erstaunlich wenigen Kunstbauten aus. Der Trogenbachviadukt in Ludwigsstadt ist und bleibt das bekannteste Bauwerk an der Gebirgsbahn.

Lokomotiveinsatz
Wenn man die prachtvollen Fotos mit der „hochhaxigen“ S 3/6 (2.000 mm Treibraddurchmesser) sieht, wundert man sich, warum gerade diese Renner über den Frankenwald geschickt wurden. Doch diese Maschinen waren oft durchgehend von Halle bis Nürnberg (und umgekehrt) am Zug, über 314 Kilometer! Und da gab es einige lange, teilweise schnurgerade Rennstrecken (Erlangen – Bamberg – Forcheim; auch im Saaletal konnte schnell gefahren werden).

Die S 3/6 war da goldrichtig, und über den Berg halfen ja kräftige Schiebeloks. Auch die Preußen setzten ab 1912 zuerst ihre S 10(2’Ch4v) in diesem Plan ein, später auch die Drillingsvariante S 10. Es war das beste Lokomotiv- Material, das beide Verwaltungen für den Schnellzugdienst hatten. Wichtig: In Großheringen war 1899 eine Verbindungskurve gebaut worden, die erst die Durchläufe Halle – Nürnberg ermöglichte.

Das Bild im Güterzugdienst wurde in den Jahren kurz vor dem Ersten Weltkrieg vorwiegend von der preußischen G 10 bestimmt. Sie liefen von Saalfeld bzw. Probstzella durch bis Rothenkirchen. Die Bayern trumpften ab 1913/14 mit ihren Giganten Gt 2 x 4/4 auf, den D’D4hv-Mallet-Tenderloks. Die ersten zehn Maschinen kamen zum Betriebswerk Lichtenfels und wurden auf die Lokeinsatzstellen Rothenkirchen (5) und Probstzella (5) verteilt.

Bayerische Loks in preußischem Schuppen? Das hatte sich dort so eingebürgert. Nach der Gründung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft 1920 hatten Landesgrenzen eh keine Bedeutung mehr. Inzwischen hatte auch die Baureihe 58 (pr. G 12) viele 57er verdrängt. In den späten 1920er-Jahren wurde dazu die Baureihe 95 (pr. T 20) in Probstzella heimisch. Eilzüge sah man nun häufig mit der Baureihe 39 (pr. P 1 0) über den Frankenwald kommen.

Und natürlich fuhren die ersten Einheitslokomotiven auf der Rampe: Das inzwischen zum Bahnbetriebswerk aufgestiegene Rothenkirchen erhielt im März 1926 frisch ab Werk die 44 001 – 003, wenig später die Zwillings-Vergleichstypen 43 001 – 003. Schritt um Schritt wurden es mehr, aus Weißenfels kamen 1928/29 noch 43 004 und 005, dazu die 44 004 – 007. Mit der 43 01 0 aus Saalfeld waren das 13 nagelneue, schwere Güterzugloks.

Im Schnellzugdienst sah man ab 1934 auch Nürnberger 03 vor dem Paradezugpaar FD 79/80. Andererseits waren zur selben Zeit im anhaltinischen Bw Halle P „hochhaxige“ 185 stationiert, einzig zur Bespannung des 31 4-Kilometer-Durchlaufes. Zu gern würde man heute etwas über die Urteile der Hallenser Lokführer zur S 3/6 wissen.

Doch das war nicht alles: Ein Jahr später, 1935, bekam Nürnberg seine ersten 01 , und die fuhren nun sogar durch bis nach Berlin, 476 Kilometer am Stück, eine gewaltige Leistung für Mensch und Maschine! Wiederum ein Jahr später kamen mit dem Zugpaar FDt 551 München/Stuttgart – Nürnberg – Leip zig – Berlin und 552 (Gegenrichtung) die ers ten Schnelltriebzüge der Bauart „Köln“ über den Frankenwald. Sie fuhren über weite Abschnitte eben so schnell wie die heutigen ICEs!

Krieg und Bedeutungsverlust

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter