50 Jahre im Dienst der Dampflok

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Infolge des stark gestiegenen Bedarfs an zusätzlichen Untersuchungen erreichte der Personalbestand des RAW Braunschweig während des Krieges ein Maximum von rund 2.000 Männern und Frauen, die zum erheblichen Teil Zwangsarbeiter waren. Das Werk wurde mehrmals durch alliierte Fliegerverbände bombardiert, aber nur relativ geringfügig beschädigt. Am 12. April 1945 besetzten dann amerikanische Truppen die Industriestadt Braunschweig, die am 5. Juni 1945 an die britische Besatzungsmacht übergeben wurde.

Bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 24. Mai 1949 setzte das Ausbesserungswerk in Braunschweig vor allem Schnellzugloks der Baureihen 01 und 03 instand. Bei der Baureihe 41 wurde es vom Privatausbesserungswerk (PAW) der Stahlwerke Braunschweig in Salzgitter unterstützt.

Für die Deutsche Bundeshahn war es aus Sicht des Jahres 1950 klar, dass der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg eingeleitete Strukturwandel der Zugförderung – also die Umstellung der Dampf- auf die Diesel- und Elektrotraktion – weitergeführt würde. Trotzdem nahm vorläufig die Dampftraktion immer noch einen hohen Stellenwert ein.

Der Dampflokbestand sollte daher nicht nur reduziert, sondern gleichzeitig ertüchtigt und modernisiert werden. Dies betraf insbesondere die Einheits-Schnellzugloks, von denen der größte Teil im Ausbesserungswerk (nun kurz: AW) Braunschweig unterhalten wurde. Am 1. Juli 1955 handelte es sich dabei um:
–    54 Loks der Baureihe 0110,
–    145 Loks der Baureihe 03,
–    26 Loks der Baureihe 0310 sowie die
–    drei Loks der Baureihe 05.

Außerdem wurden vom AW Braunschweig sämtliche 41er der DB (216 Stück) unterhalten, die damals nicht nur im Güterzugdienst, sondern auch viel im Reiseverkehr eingesetzt wurden. Zu den größeren Modernisierungsmaßnahmen zählten vor allem der Einbau von Neubau-Ersatzkesseln sowie der Umbau von Kohle- auf Ölhauptfeuerung. Das AW Braunschweig rüstete im Zeitraum 1953 – 1962 insgesamt 182 Dampfloks mit Neubau-Ersatzkesseln aus. Diese Maßnahme erfolgte bei sämtlichen Loks der Baureihen 0110 und 0310 sowie bei 102 Lokomotiven der Baureihe 41.

Daneben baute man in Braunschweig von 1959 bis 1961 52 Loks auf Ölhauptfeuerung um, nachdem zuvor Henschel in Kassel 58 DB-Dampflokomotiven auf Ölhauptfeuerung umgerüstet hatte.

Ähnlich wie in den 1930er-Jahren mauserte sich das AW Braunschweig in den 1950ern abermals zu einem der führenden Werke innerhalb des Dampflok-Unterhaltungswesens. Nun ging das allerdings ohne Propaganda ab, waren doch die Würfel endgültig zugunsten der neuen und modernen Traktionsarten gefallen! Am Ende des Jahrzehnts spielte in der Verkehrswerbung der Bundesbahn die Dampflokomotive kaum noch eine Rolle; vielmehr hatten hier jetzt V 200 oder die E 10 das Zepter übernommen.

Wandel zum Güterzuglok-AW
Im Jahr 1959 war es für die Bundesbahn bereits abzusehen, dass die Strecken-Elektrifizierung in nächster Zeit einen erheblichen Rückgang des Bedarfs an Schnellzug-Dampfloks bewirken würde. Weil das AW Braunschweig von diesem Trend besonders betroffen war, wies man diesem vorsorglich noch im selben Jahr 144 schwere Güterzugloks der Baureihe 44 zur Unterhaltung zu. Kennzeichnend für diese Übergangssituation war der Unterhaltungsbestand des AW Braunschweig vom 1. Oktober 1959 (siehe Übersicht linke Seite). Für die Betreuung dieser 591 Dampflokomotiven waren rund 1.200 Mitarbeiter zuständig.

Erfahren im Umgang mit Drillingen
Im Braunschweiger Werk war die 44er zwar eine neue, aber keineswegs eine neuartige Bauart. Denn ihr Grundaufbau ähnelte der hier seit 1957 betreuten wesentlich größeren 45er, und der Kessel war demjenigen der bis 1952 hier unterhaltenen 01 sehr ähnlich. Zudem besaß das Werk seit seiner Frühzeit umfangreiche Erfahrungen mit Dreizylindertriebwerken.

Im Lauf der 1960er-Jahre entwickelte sich die 44er so beim AW Braunschweig zur dominanten Baureihe. Am 1. Juni 1968 zählten zum dortigen Unterhaltungsbestand 234 Exemplare der Baureihe 44 neben 41 Loks der Baureihe 01.10 und 40 der Reihe 41 (nur noch ölgefeuerte).

Zu dieser Zeit hatte das AW Braunschweig nur noch etwa 550 Mitarbeiter. Der Strukturwandel der Zugförderung lief auf Hochtouren und es galt nunmehr, die Unterhaltung des stark dezimierten Dampflokbestandes auf die verbliebenen vier Werke der DB – im Jahr 1950 waren es noch 23 gewesen – einigermaßen gerecht aufzuteilen. Die vier Werke befanden sich in Trier, Offenburg, Lingen (Ems) und eben Braunschweig.

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