Auf nach Sylt!

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Als der Damm im Jahr 1972 das zweite Gleis erhielt, nahm der Kreuzungsbahnhof die Funktion einer Blockstelle mit Formsignalen an. Heute beherbergt das kleine Backsteingebäude allerdings keinen Blockwärter mehr, sondern dient nur noch der Technik. Die Formsignale sind im Jahr 1996 ferngesteuerten Lichtsignalen gewichen.

Tierische Einwanderer erobern Sylt

Übrigens sorgte der Dammbau nicht nur für eine schnelle Verbindung zwischen Insel und Festland, sondern rief auch erhebliche Veränderungen in der Landschaft des Wattenmeers hervor. Da sich die Wasserströme änderten, lagern sich einerseits auf der Festlandseite bis heute Sedimente an und lassen neues Land entstehen. Andererseits sollen auch erhebliche Landverluste am Südende von Sylt auf den Bau des Hindenburgdamms zurückzuführen sein. Zudem konnten auf dem neuen Landweg auch einige tierische Einwanderer die Insel für sich erobern, darunter Maulwurf, Maikäfer, Dachs und Fuchs.

Zurück zur Marschbahn auf dem Festland: Während der Bauzeit des Dammes lief der Sylt-Reiseverkehr über Tondern und Hoyer Schleuse zunächst in gehabter Weise weiter und nahm immer mehr zu. Süderlügum wurde zu einer großen Grenzstation ausgebaut. Doch schon kurz nach der Eröffnung des Hindenburgdamms sank die Bedeutung der Strecke nördlich von Niebüll rapide ab. Der Abschnitt Niebüll – Süderlügum wurde zur Nebenbahn herab gestuft und verlor 1930 das zweite Gleis – wie zuvor schon auf dänischer Seite geschehen. Ab dem Sommerfahrplan 1927 hatte es keine durchgehenden Züge mehr gegeben, doch immerhin verkehrten im Sommerfahrplan 1928 noch sieben Zugpaare zwischen Hamburg und Süderlügum, die einen Anschluss an dänische Pendelzüge Richtung Tondern herstellten.

Saisonal gab es zeitweise auch durchgehende Kurswagen von Hamburg über Niebüll nach Dänemark. Am 1. Juli 1980 endete der planmäßige Personenverkehr zwischen Niebüll und Tondern. Mit dem Güterverkehr war zum 15. August 1999 Schluss. Zuletzt war die Strecke nurmehr auf deutscher Seite von Niebüll bis Süderlügum befahrbar, wurde aber von der NATO als strategische Bahnlinie vor dem Verfall bewahrt. Ganz selten soll es unter besonderen Auflagen noch grenzüberschreitende Sonderfahrten gegeben haben.


Für frischen Wind sorgte im Jahr 2000 die Nordfriesische Verkehrs AG (NVAG) mit öffentlichen Sonderfahrten zwischen Niebüll und Tondern. Ein Jahr später gab es bereits regelmäßige Fahrten, was in eine vollständige Reaktivierung mündete. Mehr dazu erfahren Sie im zweiten Teil (LM 3/2011).

Noch bevor im Norden die Grenze verschoben wurde, der Hindenburgdamm entstand und die Bedeutung der Marschbahn nördlich von Niebüll auf ein Minimum zurück ging, war im südlichen Abschnitt ein imposantes Wahrzeichen der Strecke entstanden: die Hochbrücke bei Hochdonn.
Zwischen 1913 und 1920 hatte man die Stahlfachwerkkonstruktion erbaut, um den Nord-Ostsee-Kanal in einer Höhe von 42 Metern zu überbrücken. Sie ist insgesamt 2.218 Meter lang und wiegt 14.745 Tonnen. Bis zu ihrem Bau war die Marschbahn etwa 15 Kilometer weiter südlich über Brunsbüttel verlaufen, wo sich eine einfache Drehbrücke befand, die dann im Zuge des Kanalausbaus weichen musste.

Warum aber entstand die Hochbrücke so viel weiter im Norden? Hier boten sich Teile der Geest  (siehe Kasten auf Seite 46) zum Gewinn von Höhe an. Ein Blick auf die Streckenkarte offenbart auch heute noch den Umweg, der zwischen den Bahnhöfen Wilster und St. Michaelisdonn entstand. Dieser wäre allerdings gar nicht unbedingt nötig gewesen. Planungen der Reichsbahn hatten nämlich vorgesehen, die Strecke bereits ab Itzehoe direkt zur neuen Hochbrücke und dann weiter nach Meldorf zu führen.
Doch Wilster und St. Michaelisdonn widersprachen diesem Vorhaben und durften ihren Bahnanschluss schließlich doch behalten. Von der alten Strecke über Brunsbüttel zeugen noch die ein­gleisigen Äste Wilster – Brunsbüttel Süd und St. Michaelisdonn – Brunsbüttel Nord. Beide werden noch für den Güterverkehr genutzt.

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