Aus alt mach neu

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Eine Rekonstruktion war das noch nicht, denn abgesehen davon, dass man den Speisedom weggelassen hatte, unterschied sich der neue Kessel in seinen Dimensionen nicht vom alten. Erst ab 1959 wurden dann weitere 80 Maschinen der Baureihe 41 mit dem Reko-Kessel bestückt. 
Drei verschiedene Kesseltypen genügten für alle 687 Loks! Sie hießen:

– 39E (39-Ersatz): für die Baureihen 03, 39, 41 und für die Einzelgänger der VES-M Halle in Form von 18 201, 18 314 und die beiden Loks der Baureihe 19;
– 50E (50-Ersatz): für die Baureihen 50.35, 52.80, 58.30 und die 23 001 der VES-M Halle;
– 01E (01-Ersatz): für die Baureihe 01.5.

Unterschiede gab es bei den Betriebsnummern: Während die rekonstruierten Loks der Baureihe 39 völlig neu in der Baureihe 22 unterkamen, nummerte man die Reko-01 neu beginnend mit 01 501 ein (bis 535). Bei der Baureihe 41 dagegen sparte man sich die Mühe, die Reko-Lok behielt einfach die Betriebsnummer der Vorgängerin.

Auch alte Länderbahnlokomotiven wurden rekonstruiert. Zu nennen sind dabei die preußischen G 12 (Baureihe 58.10, Achsfolge 1’Eh3), die noch aus der Epoche des Ersten Weltkrieges stammten, oder die preußische P 10, die schwere Personenzuglok der Achsfolge 1’D1’h3, also Bauarten mit Dreizylinder-Triebwerk. Beide waren nach der Rekonstruktion zur Baureihe 58.30 bzw. 22 äußerst gut gelungen und beliebt bei den Personalen.

Die Baureihe 03, die „kleinere Schwester“ der Baureihe 01, kam nachträglich mit in das Rekonstruktionsprogramm (der Streit, ob sie dazugehört, endet nie). Als die Baureihe 22 durch die Elektrifizierung in Sachsen und Thüringen nicht mehr gebraucht wurde und abgestellt werden sollte, war es um die alten Fahrwerke nicht schade – aber die Reko-Kessel waren noch fast neu! Also entschied man, diese weiter auf Loks der Baureihe 03 zu verwenden, die Abmessungen ließen das problemlos nach kleineren Anpassungsarbeiten zu.

Reko auch im Westen?
Auch die Deutsche Bundesbahn rüstete einen Teil ihrer noch längere Zeit benötigten Dampflokomotiven der Baureihen 01, 01.10, 03.10 oder 41 mit modernen Hochleistungskesseln aus. Allerdings verwendete im Westen niemand den Begriff Rekonstruktion, das einfache Wort „Neubekesselung“ genügte. Anders als im Osten stand auch das Problem mit miserabler Kohle nicht. Im Gegenteil, erstklassige Brennstoffe waren kein Problem.

Man ging einen interessanten Weg: Die Rostfläche des völlig geschweißten Neubaukessels der Baureihe 01 der DB war mit 3,95 m2 sogar kleiner als die der Ursprungs-01 (4,31 m2)! Dafür besaß der Kessel eine Verbrennungsammer, sodass die Strahlungsheizfläche (Feuerbüchse plus Verbrennungskammer) mit 22 m2 exakt so groß war wie bei der alten 01. Man erhoffte sich bei der Bundesbahn in erster Linie Brennstoffeinsparungen und vor allem auch eine Arbeitserleichterung für den Heizer.

Reko? Nein: Redesign, Relaunch …
Viele der Reko-Loks blieben bis in die Gegenwart erhalten und bilden heute den Stolz und das sichere Rückgrat mancher Museumsbahn. Nicht vergessen sollte man, dass auch viele Schmalspurloks der Reichsbahn grundlegend modernisiert wurden, allerdings bürgerte sich der Begriff Rekonstruktion dabei nicht ein, da im Schmalspursektor nicht die Leistungssteigerung im Brennpunkt stand. Gern streiten sich die Experten auch heute noch, da all diese Dinge ein halbes Jahrhundert zurück liegen, um die richtige Begriffswahl.

Fakt ist, dass zum Beispiel die allseits bekannte Schmalspurgattung IV K bei dieser Großteilerneuerung im Grunde komplett neu aufgebaut wurde und manchmal höchstens ein Radstern, der Reglerhebel oder eine Kupplung von der alten an die neue Lok überging. Heimlicher Neubau, könnte man auch sagen. Egal: Man hat das alles nicht gemacht, um die IV K in ihrer Leistungsfähigkeit aufzuwerten, sondern um sie überhaupt dem Betrieb noch für einige Jahre zu erhalten.

Also trifft der Begriff „Rettung“ hier eher zu, nicht aber Rekonstruktion. 
Der Begriff hat heute in der Eisenbahnwelt ausgedient. Dabei gibt es den Neuaufbau einer alten Lok zum Zweck der Leistungssteigerung und Arbeitserleichterung für das Personal auch heute noch, wie der Beitrag von Thomas Feldmann ab Seite 54 zeigt.   

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 08/13.
 

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