Baureihe 50 3559: "Feuer aus" vor 20 Jahren

Das Ende einer Epoche: Am 29. Oktober 1988 fährt zum allerletzten Mal ein Zug der Deutschen Reichsbahn planmäßig mit einer Dampflokomotive über Normalspurgleise.
 
Die letzte ihrer Art: 41 1231 mit Personenzug nach Sangerhausen am 16. April 1988 in Hettstedt (Foto: Heym) © Heym

Wir schreiben den 29. Oktober 1988: Pünktlich um 17.12 Uhr fährt die 50 3559 mit dem Personenzug 8457 aus Thale Hbf in den Bahnhof Halberstadt ein. „Letzte Dampflokfahrt“ prangt in großen Lettern auf einem halbrunden Schild an der Rauchkammer. Mit einem langen Pfiff dirigiert Lokführer Manfred Schulz die 50 3559 unter den Augen zahlloser Eisenbahnfreunde in das Bahnbetriebswerk Halberstadt – der Traktionswechsel bei der Deutschen Reichsbahn ist abgeschlossen.

Der Abschied von den letzten Dampflokomotiven der DR begann jedoch bereits ein Jahr zuvor. Wie jeden Winter benötigen ab September/Oktober 1987 zahlreiche Bahnbetriebswerke wieder eine oder mehrere Dampfloks für die Wärmeversorgung der Lokschuppen, Umkleideräume, Duschen und Weichen. Allerdings standen vielerorts nicht genügend Heizloks zur Verfügung, da seit 1986 immer weniger Maschinen im Reichsbahnausbesserungswerk Meiningen instandgesetzt wurden. Bei vielen Dampfloks waren inzwischen die Kesselfristen abgelaufen oder konnten nicht mehr verlängert werden.

Angesichts dieser Entwicklung blieb den Eisenbahnern in den betreffenden Dienststellen nichts anderes übrig, als die letzten einsatzfähigen Maschinen aus dem Plandienst zu nehmen und zu Heizloks zu degradieren. Die Lücken in den Umläufen wurden meist durch Diesellokomotiven der Baureihen 112, 114, 118 oder 120 geschlossen, die infolge der Streckenelektrifizierung freigesetzt worden waren.

Bereits im September und Oktober 1987 beendeten mehrere Bahnbetriebswerke die Dampflokzeit. In der Reichsbahndirektion Greifswald setzte im Sommer 1987 nur noch das Bw Angermünde zwei 52.80 in der Zugförderung ein. 52 8053 und 52 8141 schieden am 16. Oktober 1987 aus dem Betriebsdienst aus. Sie dienten fortan als Heizloks. Die 52 8053 bespannte 1988 noch einige Wochen Betonmischzüge für die Streckenelektrifizierung im Raum Angermünde.

Ähnlich endete die Dampflokzeit im Bw Falkenberg (Elster). Seit dem Sommer 1987 setzten die Lokleiter noch zwei der vier betriebsfähigen Reko-52er operativ ein. 52 8174 bespannte am 31. Oktober 1987 letztmalig einen Güterzug. Am 1. Februar 1988 machte sie sich mit 52 8120 ebenfalls vor Betonmischzügen nützlich. Bei Bedarf sprangen die beiden Maschinen auch für ausgefallene Dieselloks im Güterzugdienst ein.

Auch in den Bahnbetriebswerken Cottbus und Zittau ging die Dampflokzeit im Herbst 1987 nahezu unbemerkt zu Ende. Die hier noch stationierten Reko-52er halfen jedoch bis zum Herbst 1987 immer wieder im Plandienst aus, wenn nicht genügend Dieselloks zur Verfügung standen.

Parallel dazu endete der Einsatz der Baureihe 41 in der Einsatzstelle Staßfurt des Bw Güsten. Bereits seit dem Sommer 1987 setzte Staßfurt nur noch eine 41er auf der Strecke Güsten – Magdeburg-Buckau ein. Seit dem 25. August 1987 wurde dafür 41 1150 genutzt. Erst am 10. November 1987 wurde die Maschine abgestellt und zwei Tage später als Heizlok nach Magdeburg-Rothensee geschleppt.

Andernorts verabschiedeten sich die Eisenbahner standesgemäß von ihren Dampfloks. Das Bw Salzwedel spendierte seiner 50 3618 noch einen neuen Anstrich, bevor die festlich geschmückte Dampflok auf ihre letzte Fahrt ging. Am 25. September 1987 bespannte die Maschine das Zugpaar P 5335/7307 auf der Strecke nach Stendal.

Das Bw Brandenburg organisierte für seine letzte Planlok, die 52 8184, ebenfalls eine Abschiedsfahrt. Auf Hochglanz poliert brachte sie am 16. Oktober 1987 den P 19236 von Brandenburg über die ehemalige Städtebahn nach Neustadt (Dosse). Mit dem P 19239 ging es zurück nach Brandenburg Hbf, wo der Zug pünktlich um 21.52 Uhr wieder eintraf. Sogar einige pensionierte Lokführer und Heizer wurden zu dieser Fahrt eingeladen.

Nicht ganz reibungslos verlief das Ende der Dampftraktion im Bw Aue. Seit 1982 besetzte die Dienststelle Reko-50er des benachbarten Bw Karl-Marx-Stadt, das im Winter 1987/88 täglich mindestens zehn Heizloks benötigte. Dies führte dazu, dass dem Bw Aue ab 15. September 1987 nur noch 50 3646 zur Verfügung stand. Die Maschine ging am 30. September 1987 auf ihre letzte Fahrt. Lokführer und Heizer verrichteten an diesem Tag in Frack und Zylinder ihren Dienst. An den Tender der Lok hatten sie geschrieben: „Dies treue Eisen muß dem Fortschritt weichen! Statt Gnadenbrot wartet der Brennertod!?“

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