Baureihe 64 (II): Mit dem „Bubikopf“ übers Land

Seiten

Ein „Mädchen für alles“
Bis 1960 blieben alle 275 „Bubiköpfe“ im Erhaltungsbestand der DB, allerdings zog es die Loks Stück für Stück nach Süden. Bei der BD Hamburg schrumpfte das Einsatzgebiet schon Mitte der 1950er-Jahre zusammen. 1958 zog man die letzten 64er beim Bw Hamburg-Eidelstedt zusammen, wo sie als Reservelok dienten oder die Zugbereitstellung im Kopfbahnhof Hamburg-Altona übernahmen. Dort hielten sich ein paar 64er bis 1965, als im Zuge der Elektrifizierung etliche 78er frei wurden, die nun auch die minderen Dienste übernahmen, die zuvor 64er innehatten. Die letzten Hamburger „Bubiköpfe“ waren 64 100, 131 und 446, von denen 64 446 noch 1966 an die BD Regensburg abgegeben wurde, die beiden anderen wurden 1965 „z“-gestellt. Bei der BD Hannover ging der bis dahin umfangreiche 64er Einsatz bis 1960 zu Ende. Die letzten Loks wurden vom Auffang-Bw Uelzen dann an die Direktionen Stuttgart und Nürnberg weitergereicht.
Ähnliches gilt auch für die Direktionen Köln, Mainz und Wuppertal, wo die 64 nach 1945 in kleineren Stückzahlen vorhanden war und bis Ende der 1950er-Jahre im Einsatz stand. Auch aus diesen Direktionen verschwand die Lok bis 1961, man gab die Maschinen an die BD’en Stuttgart, Nürnberg und Regensburg ab. Die 64 wanderte zuvor schon teilweise in niedere Dienste als Rangierlok oder für die Zugbereitstellung zu den großen Fernbahnhöfen ab. Wendezugsteuerung erhielten die Loks nie.
 

Refugien in Süddeutschland
Vor allem die Direktionen Augsburg, München, Nürnberg, Regensburg und Stuttgart wurden ab 1960 mehr und mehr zu Refugien der 64. Hier löste sie zunächst noch vorhandene Länderbahnloks der Reihe 70 (bay. Pt 2/3), Lokalbahnloks der Reihen 988, 9810 oder 9811 oder in Württemberg die 750 ab. Dabei zog die 64 aber keineswegs nur GmP oder „Bummelzüge“ von Milchkanne zu Milchkanne. Die 64er des Bw Kempten beispielsweise beförderten jahrelang die Urlauber-D-Züge von und nach Oberstdorf, dabei konnte man auch Doppelbespannungen von „Bubiköpfen“ vor acht oder mehr 26,4-Meter-Wagen sehen. Im Sommerfahrplan 1961 waren dies folgende Züge: D 703/704 (Oberstdorf – Dortmund), E 705/706 (Oberstdorf – Ulm), E/D 707/708 (Oberstdorf – Dortmund),
E 711/712 (Oberstdorf – Ulm), E 887/888 (Oberstdorf – Augsburg) und der E 892 von Augsburg nach Oberstdorf. Kemptener 64 beförderten diese Züge ab Kempten nach Oberstdorf, es wurde damals teilweise in Kempten von V200 (oder 39, 01 oder 186) auf 64 umgespannt!
Auch im Bayerischen Wald und der Oberpfalz bespannten die Bw’e mit ihren „Bubiköpfen“ auch Eilzüge. Noch Anfang der 1970er-Jahre fuhren 64er des Bw Weiden mit Personenzügen die
59 Kilometer lange Strecke zwischen Bayreuth und Weiden in 57 Minuten, also mit einer Reisegeschwindigkeit von 62 km/h. Die oft berichteten schlechten Laufeigenschaften der Loks im oberen Geschwindigkeitsbereich störten hier wohl weniger.
Ab 1960 begann der Stern der 64 rasch zu sinken. Die Reihe wurde vor allem durch drei Faktoren verdrängt: Im Personenzugdienst wich sie zunehmend den Schienenbussen. Als zweiter Faktor kam das einsetzende Nebenbahnsterben hinzu. Schließlich begann der Großserienbau der V 100, der zunehmend auch bisher auf Hauptstrecken eingesetzte Loks freisetzte. Die 64er wichen direkt den V 100 oder indirekt den wegen zunehmender Elektrifizierung und Verdieselung ausweichenden Loks der Reihen 23, 3810 oder 78, deren höhere
Leistung vor allem bei höheren Geschwindigkeiten verstärkt auch auf zweitrangigen Strecken gefragt war. Nachdem 1961 mit 64 428 die erste Lok ausgemustert wurde, schrumpfte der Bestand sehr schnell.
 

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter