Lübkens großer Wurf

Baureihe 78: Gelungenste Gattungen Preußens

Seiten

Der Einsatz bei Länder- und Reichsbahn
Die T 18 wurde für die Preußische Staatsbahn nur in relativ kleiner Stückzahl gebaut, da sie bis 1919 als „Sonderbauart“ galt und eine reine Hauptstreckenlok war. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wuchs ihre Stückzahl stark an und die T 18 kam in die Dienste, die auf eine Lok wie sie zugeschnitten waren: den schweren Personenzugdienst in Ballungsräumen mit häufigen Halten, wo zugkräftige und beschleunigungstarke Maschinen erforderlich waren. Hier war die T 18 aufgrund des etwas kleineren Treibraddurchmessers der P 8 überlegen. Die geringen Vorräte der Tenderlok stellten bei den kurzen Laufwegen der Züge kein Hindernis dar, dagegen war der Umstand, die Lok nicht drehen zu müssen, von unschätzbarem Vorteil.

Dabei kamen die Lokomotiven durchaus auch auf längeren Strecken zum Einsatz. In der Rbd Hannover beförderten sie nicht nur die Schnellzüge der Nord-Süd-Strecke zwischen Lehrte und Hannover Hbf, als herausragende Leistung zogen T 18 des Bw Bremen Hbf jahrelang den Luxuszug L 111/112 (Berlin – Hannover – Hoek van Holland – London) zwischen Hannover Hbf und Oldenzaal in den Niederlanden. Die Zuglok übernachtete im Bw Rheine und erreichte Tagesleistungen von rund 500 Kilometer. Gerade für solche Züge war die 78 aufgrund ihrer hervorragenden Laufeigenschaften ideal.

Ab 1930 wurden zunehmend 78er für 100 km/h Höchstgeschwindigkeit (zuvor 90 km/h) zugelassen. Äußerlich waren diese Loks leicht an den durchbohrten Gegengewichten an den Treib- und Kuppelrädern zu erkennen.

Schwerpunkt in den Ballungsräumen
Ab 1925 begannen die Loks zu wandern, wobei sich jedoch bei einzelnen Direktionen eine sehr große „Standorttreue“ ergab. Nach 1930 hatte das Einsatzgebiet der Baureihe 78 seine bis 1945 endgültige Gestalt erreicht, die Lok standen bei 13 ehemals preußischen und zwei bayrischen Direktionen im Einsatz. Am 31. Dezember 1932 und zum 1. Januar 1937 ergab sich die in der Übersicht (Seite 59) dargestellte Verteilung der 460 bzw. seit 1935 506 Loks. Einsatzschwerpunkte waren die großen Ballungsräume um Hamburg, Rhein/Ruhr, Frankfurt, München und Nürnberg sowie das schlesische Industriegebiet. Schnellzüge zogen die T 18 auch weiterhin im Saarland, auf Rügen sowie zwischen Wiesbaden und Frankfurt (Main). Die ehemals württembergischen Loks waren 1925 aus Stuttgart verschwunden, lange bevor die dortigen Strecken elektrifiziert wurden, und kamen zunächst in Bayern zum Einsatz.

Der Bestand der T 18 in der Direktion Hamburg sollte fast 30 Jahre nahezu konstant bleiben. Bis auf die Direktion Berlin, deren S-Bahn-Netz ab 1925 rasch elektrifiziert wurde, lief die 78 überall dort, wo heute S-Bahn-Triebzüge verkehren.

Kriegsverluste und Kriegsbeute
Bis 1945 änderte sich an der Verteilung der Loks nur wenig. Die 78 war eine recht bodenständige Lok. Zwar wechselten einzelne Maschinen ihre Heimatdirektion, aber an den oben skizzierten Beständen änderte sich bis Ende 1944 fast nichts. Auch die 1940 mit den ehemaligen Bahnen Elsaß-Lothringens wieder „heim ins Reich“ geholten T 18 blieben in ihrem alten Einsatzgebiet. Die Lokomotiven der AL (Chemin de Fer Alsace-Lorraine, seit 1938 SNCF Region 1) wurden nicht in den Reichsbahnbestand übernommen, wie es mit den Lokomotiven der BBÖ, der PKP und den tschechischen Loks geschah.

Der sich zunehmend auf den Bahnverkehr auswirkende Zweite Weltkrieg betraf ab 1944 auch die Baureihe 78. Über die Hälfte der Loks der Rbd’en Stettin, Oppeln und Breslau wurden noch in den Westen des Landes verbracht. Vor Kriegsende wurde nach einem Bombenvolltreffer die Bochumer 78 148 ausgemustert, in Saarbrücken schieden die 78 292 und 305 wegen Kriegsschäden aus dem Bestand. Die 78 294 und 295 wurden höchstwahrscheinlich 1944/45 bei den Kämpfen im Saarland zerstört.
Zehn Maschinen musterte nach Bombentreffern bzw. Tieffliegerbeschuss die Reichsbahn in den Westzonen zwischen 1945 und 1948 aus. Das waren 78 057, 150, 290, 378, 389, 400, 408, 451, 458 und 517. Ab 1948 hatte die DB allerdings die 78 408 wieder im Bestand (dazu später mehr).

Bei der Reichsbahn in der späteren DDR wurden vier 78er mit Kriegsschäden ausgemustert:
78 006, 179, 314 und 457. Das Schicksal der Breslauer 78 039 gilt als ungeklärt. Damit ergibt sich die im Kasten rechts angegebene Bilanz für den Verbleib der 508 Reichsbahnlokomotiven der Baureihe 78 nach 1945.

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter