Die T 20

Baureihe 95: Zweifel an der Kraft der Reibung

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Diese besaß die T 20 aus der Lieferung Borsig von 1922 nicht. Die Lokomotiven hatten beidseits nur vier Fallrohre, die vom Sanddom nach unten führten. Der 1. Kuppelradsatz wurde überhaupt nicht gesandet. Man beobachtete, dass das Schleudern des Triebwerks vom 1. Kuppelradsatz ausgeht. Wenn dieser zu schleudern beginnt, schleudern alle anderen Radsätze auch. Standardausrüstung für alle T 20 wurden nun beidseits zehn Fallrohre, damit jeder Kuppelradsatz bei Vorwärts- und Rückwärtsfahrt gesandet werden konnte. Weiterhin besagte die neue Steilstreckenvorschrift, dass bei Steigungen über 40 Promille die Lokomotive stets am Zugschluss einzustellen sei, damit bei Bruch einer Kupplung keine Wagen entlaufen können.

Umbauten und Änderungen bis 1945
Die Versuchsfahrten der Versuchsanstalt Grunewald und der Einsatz bei den verschiedenen Bahnbetriebswerken hatten auch den Zweck, Verbesserungen an Bauteilen und Baugruppen für den betrieblichen Einsatz anzuregen und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und der Technologie der Instandhaltung aufzuzeigen. Grundsätzlich war bis 1945 für alle Maschinen das Raw Meiningen als Erhaltungswerk zuständig, nach 1945 für alle Maschinen der Deutschen Reichsbahn.
Zu DRG-Zeiten hat das Raw Esslingen die Maschinen des Bw Geislingen erhalten. Bedarfsausbesserungen sind jedoch auch von geografisch günstiger gelegenen Ausbesserungswerken vorgenommen worden.
Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft hatte für die Instandhaltung Normung und Austauschbau vorgeschrieben. Für die Lokomotiven der Länderbauart ist die Normung von Bauteilen schrittweise in den folgenden Jahren eingeführt worden. Dadurch konnte man auch Bauteile, die nicht gattungsgebunden waren, zentral aufarbeiten lassen und als Tauschteile verwenden.
Die erste Lokomotive der Baureihe 95, die genormt wurde, war die 95 039 anlässlich einer Schadgruppe F 3 (entspr. späterer L 3) im Juli 1928 im Raw Darmstadt. Die Normung betraf Achslagergleitplatten, Federung und Ausgleich, alle Armatur- und Rohrverschraubungen.

Zu den Bau­artänderungen gehören auch Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit. So erhielten die seitlichen Wasserkästen Einpolterungen als Fußtritte und einen oberen Bügelhandgriff. Die ersten zehn Borsig-Lokomotiven erhielten bereits bei der ersten Raw-Zuführung zehn Abgabestellen pro Sandkastenseite und die entsprechenden Fallrohre, wie sie die Hanomag-Lokomotiven ab Werk besaßen.

Nach 1930 entfiel das Umschaltventil am Oberflächenvorwärmer, mit dem die Durchflussrichtung des vorzuwärmenden Wassers täglich geändert werden konnte, um die Rohrleitungen länger sauber zu halten. Weil der beabsichtigte Effekt ausblieb, entfernte man das Umschalthandrad. Das besaßen übrigens auch die ersten Einheitslokomotiven; bei ihnen wurde es ebenfalls entfernt.
Die Rbd Erfurt hatte 1934 bei der 95 030 des Bw Arnstadt den Einbau von Druckausgleich-Kolbenschiebern der Bauart Nikolai verfügt, um die Leerlaufeigenschaften zu verbessern. Weil Nikolai Jude war, sind die Schieber dann als Karl-Schulz-Schieber bezeichnet worden. Bei der Bedienung der Gegendruckbremse ist bei Maschinen mit Druckausgleich-Kolbenschiebern eine besondere Vorsicht erforderlich, um das Überreißen von Wasser zu vermeiden. Deshalb wurde ein Jahr später wieder der Einbau von Regelkolbenschiebern verfügt. Bei der DR erhielten die Lokomotiven, als sie nicht mehr auf der Harzbahn, sondern in Thüringen im Einsatz waren, Druckausgleich-Kolbenschieber Bauart Trofimoff, weil dort nicht mehr mit Gegendruckbremse gefahren wurde.
Als Mitte der 1930er-Jahre Luft- und Speisepumpe DK-Schmierung erhielten, war das eine
erhebliche Arbeitserleichterung für das Personal, ersetzten diese Pumpen doch die Handölpumpen. Zwischen 1935 und 1940 ist die Gasbeleuchtung durch elektrische Beleuchtung ersetzt worden. Mitten im Krieg, zwischen 1940 und 1943, erhielten die Treibachsen Mangold-Lager, die die großen Kolbenkräfte durch Hilfsbacken besser aufnehmen konnten. Bei regelmäßiger Nachstellung hielt sich das Achslagerspiel in Grenzen.
Nachteilig bei der Baureihe 95 war der große Spurkranzverschleiß, so dass bereits ab Werk eine Spurkranznässeinrichtung vorhanden war, deren Wirksamkeit jedoch nicht überzeugte. Die DRG
erprobte verschiedene Bauarten von Spurkranzschmierungen, die aber alle nicht den gewünschten Erfolg garantieren konnten. 1933 erhielt die
95 041 vom Bw Probstzella eine Schmierung der Bauart Heyder. Edwin Heyder war Angestellter im dortigen Bw und später dessen Chef. Die nach dem Krieg bei der DR eingeführte Schmierung basierte auf Edwin Heyders Erfindung, sie erhielt auch dessen Namen und erhöhte die Laufleistung.

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