Chronik 1960: Neuer Hauptbahnhof für Braunschweig

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Kapazität für sehr viel mehr
Der neue Hauptbahnhof trug nicht nur zur Verkürzung der Reisezeiten der wenigen durchgehenden Züge Helmstedt – Hannover bei, sondern besaß beachtliche Leistungsreserven, die erst 1991 beim ersten Einsatz der InterRegio-Züge Berlin – Köln benötigt wurden. Seit 1993 fahren auch InterCity-Express-Züge von Berlin nach Frankfurt (Main) über Magdeburg, seit dem 28. September 1998 über die nahe dem Hauptbahnhof am 20. September 1998 in Betrieb genommene „Weddeler Kurve“ von und nach Fallersleben.
Diese durch die politischen Veränderungen 1989/1990 verursachten Veränderungen bescherten dem Hauptbahnhof einen Fernverkehr, der nicht mehr wie vorher dort endet und beginnt, zugleich wird die großzügige Bahnhofsanlage von dem seit 1991 mächtig zugenommenen Nahverkehr genutzt.

Am 20. September 1998 gingen mit der neuen Verbindung nach Fallersleben die Streckenabschnitte Braunschweig-Gliesmarode – Harvesse, nach Lehre und Braunschweig Ost sowie bereits am 1. Dezember 1997 die Einfahrten von den Abzweigstellen Gabelung und Helmstedter Straße in den Rangierbahnhof außer Betrieb. Am 31. Dezember 1997 endete auch die Bedienung der Anschlussgleise im Bahnhof Braunschweig West; von der ringförmig um die Stadt geführten Stammstrecke der ehemals Braunschweigischen Landes-Eisenbahn und den 50 Gleisanschlüssen, die etwa drei Viertel des gesamten Ortsgüterverkehrs aufnahmen, blieb nichts übrig. Das zweite Gleis der Strecke nach Hildesheim sollte bereits 1998 befahren werden, dessen Bau wird jedoch immer wieder aufgeschoben.

Am 26. Oktober 2003 ging auf dem Hauptbahnhof das elektronische Stellwerk der Bauart ESTW-Z mit dem der Bauart ESTW-A für die Abzweigstelle Weddel in Betrieb; beide von der Betriebszentrale Hannover aus gesteuert. Die Abzweigstelle Helmstedter Straße erhielt ein Stellwerk der Bauform SpDr S 60. Der Hauptbahnhof ist weitgehend vom örtlichen Betriebspersonal befreit.

Neuer Rangierbahnhof im Süden
Südlich des Personenbahnhofs erstreckt sich der bei Reisenden weniger bekannte und für sie auch unsichtbare Verschiebe- bzw. Rangierbahnhof. Er ging 1940 in Betrieb, jedoch nur mit der östlichen Einfahrt und damit gegen die Arbeitsrichtung der Anlage. Im Westen fehlte es noch an den Dämmen und der Brücke über die Oker. Aus dem Trümmerschutt in der Stadt wurden 1946 die Dämme geschüttet, die Brücke erst im Zusammenhang mit dem neuen Hauptbahnhof errichtet. Danach konnte der Verschiebebahnhof nach den damaligen Bedürfnissen erweitert und 1964 vollendet werden. Er besaß nun 22 Richtungsgleise für die West-Ost- und 23 für die Ost-West-Richtung. Im ersten Betriebsjahr seiner Vollendung
erreichte er auch seine Leistungsspitze mit werktäglich 100 Zügen im Eingang und 97 Zügen im Ausgang.

Allerdings ist die Nord-Süd-Verbindung Braunschweig – Wolfsburg nach den Plänen von 1938 nicht gebaut worden, so dass der Rangierbahnhof in der Randlage nahe der innerdeutschen Grenze blieb. Bei einer Wagenübergangszeit von etwas über drei Stunden war Braunschweig Vbf ein schneller Rangierbahnhof, zentral gelegen und für den Verkehr mit der DDR zum wichtigen Sammel- und Verteilerbahnhof geworden. Beendet wurden auch die Provisorien mit den Stellwerken und den technischen Dienststellen wie der Wagenausbesserung unter freiem Himmel. Doch Anfang der 1980er-Jahre unterließ die Bundesbahndirektion Hannover die Modernisierungen, weil die Anlage als unwirtschaftlich bewertet wurde. Es gab keinen Kohlenversand aus dem Helmstedter Revier mehr, der Weihnachtspostverkehr „nach dem Osten“ blieb 1991 weg. Der Rangierbahnhof Seelze wurde bevorzugt, Braunschweig am 29. Mai 1994 zum Knotenbahnhof für den Nahverkehr herabgestuft, am 6. März 1995 entfiel die Postumladung am Braunschweiger Hauptbahnhof. Der Postbahnhof wurde geschlossen. Am 1. Juni 1997 ist der Hauptablaufberg stillgelegt worden. Die Zugbildungsanlage arbeitet in einer Weise, für die sie nicht gebaut worden ist.
   
Von Erich Preuß

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 02/10

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Fotos: 
Dieter Höltge
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