Haldensleben 1981/82

Dampf soweit das Auge reicht: Die abenteuerliche Rettung durch eine 52er

Ein Besuch in Haldensleben 1981 endet damit, dass zwei Freunde eine Einladung zur Übernachtung in Vahldorf erhalten. Was dort in der Nacht geschieht, berichtet hier Dirk Höllerhage.
 
Haldensleben 1981/82: Die abenteuerliche Rettung durch eine 52er © Dirk Höllerhage

Mit dem Zug war ich schon oft durch die Magdeburger Börde gereist und hatte bereits 1979 in Magdeburg beim Umsteigen in den „Interzonenzug“ nach Köln eine großohrige „Nulleins“ vor die Linse bekommen. Doch es zog mich immer wieder ins landschaftlich reizvollere Erzgebirge, bis ich endlich im Oktober 1981 auch Haldensleben einen Besuch abstattete.

Erstaunliche Baureihenvielfalt: 50.35, 52.80 und auch noch 41er

Ach was gab es damals dort alles zu bewundern: Kriegsloks und Reko-50er mit ellenlangen Güterzügen sowie Personenzügen nach Weferlingen, Magdeburg und Oebisfelde.

Zu meiner Überraschung jagten sogar "Mikados" der Baureihe 41 vor beige-türkisen Bundesbahnwagen durch die überaus liebliche Börde! Dazu das hoch interessante Bahnbetriebswerk Haldensleben und die freundlichen Menschen, die den Eisenbahnfreund "von drüben" immer herzlich in Empfang nahmen.

Doch wo in Haldensleben übernachten?

Bei unserer ersten Reise suchten mein Eisenbahnfreund und ich verzweifelt eine Unterkunft in Haldensleben.

„Die werdet ihr hier nicht finden“, sagte uns mitleidig eine Verkäuferin im Konsum- Laden. „In Magdeburg gibt es zwar ein Interhotel für Burschen wie euch aus dem Westen, aber die Preise dort sind unverschämt hoch und man muss mit D-Mark bezahlen! Ne, ne, ihr übernachtet heute bei mir!“

Wor waren sehr glücklich über diese Einladung! Nach erfolgreicher Dampflokjagd holten wir die nette Dame mit unserem VW-Käfer zum Feierabend an ihrem Konsum ab und landeten schließlich in der Nähe eines kleinen Ortes namens Vahldorf.

Das sehr heruntergekommene Haus der freundlichen Gastgeberin verschlug uns fast den Atem, und während wir durch den engen Hinterhof zur Eingangstür schritten, hielt sie einen riesigen Hofhund auf Abstand, der mit einer Kette an einer Hundehütte festgebunden war und laut bellend den Hauszugang verteidigte.

Ach du meine Güte! Der Hund!

Bereitwillig räumte die 15-jährige Tochter ihr Zimmer für die Überraschungsgäste und nach einem leckeren Abendbrot fielen wir todmüde ins Reich der Träume.

Gegen halb fünf Uhr morgens drückte aber der abends gereichte Tee dermaßen auf die Blase, dass ich die Toilette aufsuchen musste. Diese befand sich aber nicht im Haus, sondern draußen auf dem Hof!

Stockfinster war es, als ich mich völlig schlaftrunken entlang der Hauswand zum Klohäuschen tastete.

Urplötzlich sprang ein bellender, riesiger Schatten orkanartig auf mich zu und wurde nur wenige Zentimeter vor meiner Kehle von der Kette zurückgeworfen. Oh Schreck, der Hund! Den hatte ich ja völlig vergessen!

Geschockt hechtete ich mit einem mächtigen Satz nach vorn aus der Gefahrenzone. Zwar war ich dem Vierbeiner um Haaresbreite entkommen, aber ich musste doch wieder zurück – und genau auf diesen Moment wartete die Bestie. Zitternd vor Angst und Kälte kauerte ich nun im Toilettenverschlag und wusste einfach keinen Rat mehr!

Rettung durch die 52er Kriegslok

Zudem war der Gedanke, dass man mich morgens nur mit einem Schlafanzug bekleidet in dieser Situation finden würde, äußerst unangenehm. Die Zeit wollte nicht vergehen, als plötzlich aus weiter Ferne das Geräusch einer herannahenden Dampflok zu vernehmen war.

Nun verlief die Eisenbahnstrecke nach Magdeburg glücklicherweise nur wenige Meter am Hof vorbei und ich sah meine Chance kommen!

Wie erwartet ließ die vorbeidonnernde 52er den Boden erzittern und für einen kurzen Moment war die ganze Aufmerksamkeit des Hofhundes auf das tosende Ungetüm gerichtet.

Während er wie von Sinnen den Güterzug anbellte und an der Kette zerrte, rannte ich los in Richtung Hauseingang. Zu spät bemerkte der Vierbeiner meine List und stürmte auf mich zu – doch da war ich schon auf sicherem Terrain.

So kroch ich wieder ins Bett, durchgefroren und mit zitterten Knien – aber unglaublich erleichtert!

Strecken um Haldensleben:

Die Strecken um Haldensleben sind auf dieser Karte gut zu erkennen

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