Dampfbahn Furka-Bergstrecke: 118 Promille Steigung

Wasserscheide Nordsee – Mittelmeer. Eine der schönsten und imposantesten Bahnstrecken der Welt wird im Sommer dieses Jahres wiedereröffnet. Möglich machte dies in erster Linie privates Engagement

Von: Friedhelm Ernst

 
30. August 2008 bei Tiefenbach: Die HG 3/4 Nr. 4 überquert mit einem Sonderzug von Realp nach Gletsch den Siedelenbach	Foto: Bruno Hitz © Bruno Hitz

In erster Linie als Verbindung der großen Schweizer Fremdenverkehrsgebiete westlich und östlich des St. Gotthard richteten die meterspurigen Visp-Zermatt-, Furka-Oberalp- und Rhätische Bahn nach dem Lückenschluss Visp – Brig am 22. Juni 1930 unter dem klangvollen Namen „Glacier-Express“ durchgehende Züge zwischen Zermatt und St. Moritz ein.

Zur Bewältigung mächtiger Höhenunterschiede im Kernbereich dieser zugleich militärstrategisch wichtigen West-Ost-Verbindung musste dabei auf 34.495 Metern Strecke eine Zahnstange (System Abt, zwei Lamellen) installiert werden. Dies entspricht etwa einem Drittel der Gesamtstreckenlänge von 100,025 Kilometern zwischen Brig und Disentis. Abschnittsweise war die Gesamtstrecke zwischen dem 1. Juni 1915 und dem 4. Juli 1926 eröffnet worden.

Die größte Steigung der „transalpinen Sommerverbindung“ beträgt 40 Promille (Adhäsion), auf dem Zahnstangenabschnitt zwischen Gletsch und Muttbach-Belvédère 118 Promille. Ein Steigungsabschnitt mit 110 Promille auf 1.418 Metern Länge befindet sich zwischen Oberwald und Gletsch. In diesem Bereich von insgesamt 4.400 Metern Länge überwindet ein Zug 396 Höhenmeter.

Ein geregelter Bahnbetrieb in dieser verkehrsfeindlichen hochalpinen Lage (Schienenoberkante im Bahnhof Furka in 2.160 Meter Seehöhe) war von Beginn an nur etwa von Mai/Juni bis in den Oktober möglich. Bis zur Eröffnung des Furka-Basistunnels am 25. Mai 1982 lagen die Gleise und Anlagen der Passstrecke im Winter stets unter  Schnee begraben und wurden nicht befahren. Die letzte Betriebssaison der Furka-Oberalp-Bahn zwischen Realp, Furka, Gletsch und Oberwald endete am 11. Oktober 1981.

Die Steffenbachbrücke
Besondere Aufmerksamkeit der Betreiberin erfuhr stets der im Winter durch Lawinen gefährdete Streckenabschnitt Realp – Tiefenbach auf der rechten Seite der Furkareuss. Ein dort ursprünglich in massiver Bauweise errichtetes Brückenbauwerk über den Steffenbachtobel war vor der offiziellen Aufnahme des Betriebes 1915 durch eine Felsstücke mitführende Grundlawine völlig zerstört worden. Zehn Jahre später ersetzte man die steinerne Brücke durch eine Stahlkonstruktion. Deren Besonderheit war (und ist wieder), dass die Fahrbahn aus zurückklappbaren Segmenten bestand, die jeweils im Herbst demontiert und dann zur Betriebsaufnahme im nächsten Frühjahr wieder in ihre Position gebracht werden.

Aus den Annalen ersichtlich ist das Datum 3. Juli 1926, zu dem die Gesamtstrecke Brig – Furka – Disentis durch die nach Insolvenz der vormaligen BFD neu geschaffenen Furka-Oberalp-Bahn (FO) eröffnet und einen Tag darauf für den allgemeinen Verkehr freigegeben wurde. Dabei betrug die Fahrzeit auch für damalige Verhältnisse lange vier Stunden und 33 Minuten. Die Bahngesellschaft litt durch die wirtschaftsschwache Region stets unter finanziellen Schwierigkeiten und bedurfte anhaltender Subventionierung, namentlich als Folge kostspieliger Betriebsführung auf ihren Steilstrecken an Furka und Oberalp.

Elektrifizierung bis 1941
Nicht zuletzt wegen der strategischen Bedeutung dieser Linie und gleichzeitigen Problemen mit der Kohlenversorgung der komplett mit Dampflokomotiven betriebenen Bahn im Zweiten Weltkrieg begann man 1939 mit der Elektrifizierung, die 1941 abgeschlossen werden konnte. Zur Anwendung kam Wechselstrom mit 11 kV / 16 2/3 Hertz, analog dem System der beiderseitig anschließenden Visp-Zermatt- und Rhätischen Bahn. In diesem Zusammenhang konnte am 1. Juli 1942 der elektrische Betrieb letztlich auch zwischen Oberwald und Gletsch aufgenommen werden.

Die Furka-Oberalp-Bahn beschaffte zwischen 1940 und 1956 sieben Bo’Bo’-Streckenlokomotiven HGe 4/4 Nr. 31 – 37 mit 45 Tonnen Eigengewicht und einer Stundenleistung von 911 kW bei 27 bzw. 496 kW bei 20 km/h.

Hinzu kamen 1941/42 fünf zweimotorige Neubau-Triebwagen BCFeh 2/4 Nr. 41 – 45 der Achsfolge Bo’2’; davon der erste bis 1960 im Eigentum der seinerzeit noch selbstständigen Schoellenenbahn, sowie die von Gleich- auf Wechselstrom umgerüsteten vier Schiebelokomotiven HGe 2/2 (Baujahr 1915). Ebenso der Erwähnung bedürfen der in Brig stationierte elektrische Rangiertraktor Te 2/2 und drei elektrische Schneeschleudern X 1021 – 1023 wie auch noch vier Dampfloks HG 3/4.

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