Den Zugvögeln nach

Über den Fehmarnbelt: 1963 wurde eines
der größten Bauvorhaben der Bundesbahn vollendet. Inzwischen hat der Autoverkehr mit den Fähren das Trajektieren der Züge weitestgehend abgelöst. Von Erich Preuß
 
16. Juni 2002 ziehen die 218 185 und 218 488 den IR 2506 über die Fehmarnsundbrücke in Richtung Puttgarden. Foto: Michael Beitelsmann © Michael Beitelsmann
ls Staatsakt in Anwesenheit von Bundespräsident Heinrich Lübke und dem dänischen König Frederik IX. wurde am 14. Mai 1963 die Fährverbindung Puttgarden – Rødby Fähre und damit die sogenannte Vogelfluglinie eingeweiht. Damit wurde nach dreieinhalbjähriger Bauzeit – die Planung hatte im Sommer 1958 begonnen – ein nahezu 100 Jahre altes Eisenbahnprojekt vollendet. Es gehört zu den größten Nachkriegsbauvorhaben der Bundesrepublik, das auf deutscher Seite einem Neubau gleichkam.
Unter den zahlreichen Großbauten der Vogelfluglinie nimmt die Brücke über den Fehmarnsund einen besonderen Platz ein. Sie wurde bereits am 30. April mit der Neubaustrecke Großenbrode – Burg (Fehm) in Betrieb genommen.

Deutsche Teilung ändert Verkehrsströme
Die Teilung Deutschlands hatte dazu geführt, dass die bis zum Zweiten Weltkrieg gepflegte Verbindung zwischen Hamburg und Warnemünde aufgegeben und stattdessen die Route über Flensburg und das Trajekt Korsör – Nyborg benutzt werden musste. Weil diese Verbindung bald überlastet war, hatte man am 15. Juli 1951 als Zwischenlösung die Fährschiffroute vom ehemaligen Marinehafen Großenbrode Kai nach Gedser geschaffen.
Die neue Verbindung zweigt von der eingleisigen Hauptbahn (Lübeck –) Bad Schwartau –Großenbrode Kai kurz hinter dem Bahnhof Großenbrode in nordöstlicher Richtung ab, überquert den Fehmarnsund und die Insel Fehmarn bis zum Fährbahnhof und Fährhafen Puttgarden an der Nordostküste. Hier schließt sich die rund 19 Kilometer lange Fährroute über den Fehmarnbelt nach Rødby Fähre an. Über eine eingleisige Neubaustrecke erreicht die Strecke in Nykøbing die bestehende nach Kopenhagen.
  Bis 1963 von Großenbrode aus
Die 69 Kilometer lange Fährstrecke Großenbrode Kai – Gedser erlebte von der Mitte der 1950er-Jahre an einen Aufschwung, wie es ihn im internationalen Verkehr bis dahin nicht gegeben hatte. Besonders deutlich wurde dabei der Siegeszug der Kraftfahrzeuge, obgleich seit dem Einsatz des Fährschiffs „Deutschland“ das Trajektieren mit ganzen Zügen oder Zugteilen möglich wurde. Die Eisenbahn trat aber nach der Zahl der Passagiere (1951 rund 29.500, 1962 1.447.300) und Fahrzeuge (1951 rund 6.200 Pkw, 1962 über 165.400) immer mehr in den Hintergrund.

Am Eröffnungstag der Vogelfluglinie wurden das Trajekt von Großenbrode und auch die seit 1905 bestehende Fährverbindung über den Fehmarnsund mit den Fährschiffen „Fehmarn“ und „Schleswig-Holstein“ sowie dem Dampfschiff „Fehmarnsund“ eingestellt. Letzteres war noch besonders nützlich geworden für den Transport der Arbeitskräfte, Baustoffe, Geräte und Maschinen samt Eisenbahnwagen und Kraftfahrzeugen, als auf der Insel die Neubaustrecke angelegt wurde.

Am Anfang war Warnemünde Favorit
Stets hatte es Gedanken und Pläne gegeben, gleich den Zugvögeln (daher der Name) nach Norden die Ostsee an ihrer schmalsten Stellen zu überqueren. Die politischen Verhältnisse förderten die Bindung zwischen den Hauptstädten Berlin und Kopenhagen. Doch technische und wirtschaftliche Schwierigkeiten standen dieser Absicht im Wege. Der Weg über Warnemünde – Gedser war der kürzeste, so dass dort 1886 die deutsch-dänische Schiffslinie eingerichtet und schließlich 1903 als Eisenbahn-Fährverbindung ausgebaut wurde.

Nun waren inzwischen die politischen Umstände andere, so dass der Verkehrsstrom im Westen die bessere Wirtschaftlichkeit der Vogelfluglinie erwarten ließ. Bereits 1941 vereinbarten die deutsche und die dänische Regierung den Bau der Vogelfluglinie, die in vier Jahren vollendet sein sollte. Die Strecke Lübeck – Neustadt (Holst) – Heiligenhafen sollte als zweigleisige Schnellstrecke für 160 km/h Geschwindigkeit weitgehend neu trassiert und die Zubringerstraße als Autobahn gebaut werden. Die Brücke über den Fehmarnsund sollte eine Länge von 1.800 Meter (gegenüber später gebauten 963 Metern) erhalten. Ein Neubauamt der Reichsbahndirektion Schwerin mit dem Sitz in Lübeck leistete mit einer deutsch-dänischen Firmenarbeitsgemeinschaft die Vorarbeiten.

Diese Vorleistungen gaben bei Wiederaufnahme der Planungen 1958 den Ausschlag, eine weiter östliche Trasse zu wählen. Auf der dänischen Seite konnten das nach 1941 fertig gestellte Planum und die Brücken verwendet werden.
Infolge Verkürzung der Seestrecke von 69 auf 19 Kilometer verringerte sich die Übersetzdauer von drei Stunden auf eine Stunde; bei der längeren Eisenbahnfahrzeit bleibt ein Zeitgewinn von eineinhalb Stunden (siehe auch Kasten oben).

Das Eisenbahnprojekt gliederte sich auf deutscher Seite in folgende Abschnitte:

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