Der erste IC-Triebzug: Bemerkenswertes Trio

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Ein völlig neues Gesicht
Besonderer Wert wurde auf das Design gelegt, das schon von weitem Schnelligkeit und Eleganz verkörpern sollte. Das formvollendete, windschnittige „Gesicht“ der neuen IC-Triebzüge war daher zwar – vor allem im Zusammenspiel mit der Lackierung (Wagenkörper in hellem Grau, durch zwei orangerote Streifen eingefasstes schwarzbraunes Fensterband) und der Innenausstattung – ein Kind seiner Zeit, wirkt aber bis heute noch immer modern und zukunftsweisend. Der Formgestaltung durch das Design-Center der DB vorausgegangen waren jahrelange Versuche, auch unter Einbeziehung des Strömungstechnischen Instituts der Technischen Universität Hannover.
An der Konstruktion und Fertigung beteiligt waren Linke-Hofmann-Busch (LHB) in Salzgitter (Wagen mit Führerstand), Messerschmitt-Boelkow-Blohm (MBB, früher Waggon- und Maschinenbau Donauwörth, WMD) in Donauwörth (Mittelteile) sowie das MAN-Werk in Nürnberg (Drehgestelle), während für den elektrischen Teil je eines Triebzuges AEG, BBC und Siemens verantwortlich zeichneten.
Jede der drei Einheiten bestand aus zwei Triebköpfen (403 001 – 006) und zwei ebenfalls angetriebenen Mittelwagen. Davon war einer als Großraumwagen (404 001 – 003), der andere als Abteilwagen mit Speiseraum, Küche, Zugsekretariat und Telefonzelle (404 101 – 103) ausgelegt. Über die automatischen Scharfenberg-Kupplungen konnten mehrere Einheiten miteinander verbunden werden.
Viele der elektrische Komponenten wurden parallel zu denen der S-Bahn-Triebwagen 420/421 der DB entwickelt. Auch die MAN-Luftfederdrehgestelle basierten auf denen der S-Bahn-Triebwagen, wurden im Gegensatz zu diesen jedoch in verschiedener Hinsicht abgewandelt, um der höheren Geschwindigkeit, dem größeren Motor und dem Einbau einer bogenabhängigen Wagenkastensteuerung zu genügen. So konnte noch mehr Fahrkomfort erzielt werden. Ausgelegt wurden sie – wie die gesamten Triebzüge – vorerst für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h, ließen jedoch noch Reserven nach oben offen.

Neigetechnik leider ein Flop
Die als besondere Innovation angepriesene gleisbogenabhängige Wagenkastensteuerung hingegen erwies sich aufgrund eines Konstruktionsfehlers als nicht betriebstauglich: So bestand immer die Gefahr, dass der starr auf dem Dach montierte Stromabnehmer bei geneigtem Wagenkasten in Krümmungen den Kontakt zum Fahrdraht verlieren konnte und während der Fahrt hochschnellte, was unweigerlich zum Abreißen der Oberleitung geführt hätte. Eine Abänderung der Konstruktion hätte größere Anpassungen an den Triebzügen erfordert, weshalb sich die Bundesbahn dagegen entschied. Somit konnte der Triebzug auch nicht, wie ursprünglich geplant, mit bis zu 200 km/h durch Gleisbögen fahren und damit schneller als ein lokbespannter IC (160 km/h) sein.
Schon im Herbst 1971 war vorab ein Großmodell eines Triebwagenkopfes in natürlicher Größe fertiggestellt, das neben einem komplett eingerichteten Führerstand aus zwei Abteilen und einer Toilette bestand. Sehr bald diente es auf verschiedenen Messen und Ausstellungen als Blickfang für die moderne Bahn.
Schon zu den Olympischen Spielen in München 1972 sollten die Triebzüge bereit stehen, doch der Bau verzögerte sich, unter anderem auch wegen der erforderlichen Abstimmungen der einzelnen Hersteller untereinander. So konnten die ersten beiden 403-Triebköpfe erst im März 1973 an die DB abgeliefert werden, die passenden Mittelwagen folgten zwei Monate später. Die Garnitur wurde anschließend direkt dem BZA München zu umfangreichen Abnahmeuntersuchungen und Testfahrten zugeteilt, die am 22. Mai 1973 begannen.
Im Rahmen der ausführlichen Erprobung erreichte am 16. August 1973 die dreiteilige Einheit aus 403 001, 404 001 und 403 002 zwischen Augsburg und Donauwörth erstmals ihre Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h, später wurden bei Tests auch bis zu 220 km/h gefahren. Im Spätsommer gelangten auch die beiden anderen Einheiten zu ihrem Heimat-Bw München Hbf, wo sie zunächst ebenfalls in den Testbetrieb übernommen wurden. Dabei wurden nun auch Kombinationen mit bis zu vier Mitteltriebwagen (404) gefahren; ursprünglich hatte man sogar vorgesehen, bis zu zwölfteilige Einheiten einzusetzen. Neben den vielfältigen Erprobungsfahrten verbrachten die vier Triebzüge ihre ersten Monate allerdings vor allem als Demonstrations- und Ausstellungsobjekte auf den unterschiedlichsten Messen und Veranstaltungen.

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