Die Baureihe 01 150

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Etwas Kurioses erlebten wir bei der Aufarbeitung des Tenders. Wir waren damit beschäftigt, am Wasserkasten die seitlichen Farbschichten zu entfernen. Dabei erkannten wir plötzlich weiße Stellen unter der alten schwarzen Farbe. Wir kratzten, neugierig geworden, weiter und schließlich konnten wir in großen Lettern noch den Älteren unter uns bekannten Text „Räder müssen rollen für den Sieg“ erkennen …

Für die notwendigen Kesseluntersuchungen gewannen wir den Ingenieur und Kesselsachverständigen Manfred Leniger vom TüV Hannover. Kesselinnenbesichtigung, Kaltwasserdruckprobe und Kesselprüfung unter Dampf verliefen ohne jegliche Beanstandungen. Wir freuten uns darüber!


1982: Endlich wieder unter Dampf!

Am 20. März 1982 war für den Eigentümer als auch für uns alle, die sich mehr als zwei Jahre den Dreck unter die Fingernägel geschoben hatten, ein großer Tag. Mit einem gewissen Stolz führten wir die 01 150 angeheizt und in neuem Glanz erstrahlend der Öffentlichkeit vor. Wirklich, die Maschine war ein Schmuckstück! Plötzlich meldeten sich Vereine, ja sogar die Deutsche Bundesbahn zeigte Interesse an der Lokomotive und bat Herrn Seidensticker um Zustimmung für den ersten Einsatz, nämlich an der Veranstaltung „75 Jahre BZA Minden“ teilnehmen zu dürfen. Mit drei „Rheingold“-Wagen wurden wir am 23. Juni 1982 überführt, gezogen von 103 118 – es bestand zu jener Zeit ja absolutes Dampfverbot auf DB-Strecken.

Es folgten Sonderfahrten, wenn leider auch nur auf Privatbahnstrecken. Als besonders gelungene Veranstaltung möchte ich dabei das gut vorbereitete Fest „140 Jahre Eisenbahndirektion Hannover“ am 12. März 1983 bezeichnen. Wir führten dabei einen langen Reisezug von Celle nach Wittingen. Tausende Fans waren an diesem Tag dabei und freuten sich über den seltenen Anblick einer gepflegten Schnellzugdampflok. Nur einer von denen war mit dem Erscheinungsbild der 01 150 nicht zufrieden und schwärzte kurz vor Abfahrt die vorderen weißen Pufferringe, warum, erschloss sich uns nicht ….

Nach der zweiten Sonderfahrt auf der OHE-Strecke hieß unser Ziel Hannover-Messe. Wir überführten unsere 01 150 am 14. April 1985 –  nein, wir wurden mittels einer Köf 3 (!) von Celle nach Hannover-Wülfel überführt (das Dampfverbot des Herrn Binnewies von der HVB in Frankfurt verfolgte uns immer wieder) – fuhren dann aber mit eigener Kraft zur Freude der unzähligen Handwerker, die mit dem Aufbau der Stände beschäftigt waren, über das Messegelände. Das Gleis führte auch durch eine große Ausstellungshalle. Einer rief dort plötzlich: Pfeifen Sie doch mal! Das tat ich dann auch und alle gingen vor Schreck in Deckung.

Schließlich endete unsere Fahrt auf dem Stand von Henschel; die Firma feierte dort das 175-jährige Bestehen. Das war wirklich der große Renner auf dem Messegelände vor internationalem Publikum! Ein verantwortlicher Mitarbeiter, Herr Hofmann, bat uns an jenem Wochenende – es war der 20. April – die Lokomotive warm vorzuführen. Am Abend des Vortages traf ein Lkw auf dem Freigelände ein und kippte eine Ladung Bretter und Kanthölzer ab, damit Martin Hahlbohm die Lok nachts anheizen konnte. Die Besucher waren begeistert. Am Stand wimmelte es von Menschen.

Einen Ring zum Geburtstag

Bekanntlich feierte man 1985 nicht nur das Jubiläum „150 Jahre Deutsche Eisenbahnen“, sondern auch unsere 01 150 wurde 50. Aus gegebenem Anlass sollte nach Herrn Seidenstickers Vorstellungen zu diesem runden Geburtstag der Lok etwas angemessener Schmuck angelegt werden. Die Lehrwerkstatt wurde somit beauftragt, den dicken Schornstein mit einem polierten Messingkragen zu versehen. Leider fanden die Franken diese Idee gar nicht gut, abgesehen davon, dass die damals auch neu angefertigten sechs Kesselbänder aus dem gleichen Material bestanden. 01 150 war zwar ein Fahrzeug der Regelbauart, als zweimalige Jubiläumslok dürfte ihr Ansehen wegen dieser Dekoration wohl nicht gelitten haben!

Der Geburtstagsring wurde abgenommen und dem ehemaligen Eigentümer überlassen. Jetzt hängt dieser zu Hause bei mir über der Werkbank und ich zehre von den vergangenen Zeiten. Das ist somit auch das einzige Stück Andenken, das mir geblieben ist. Nachdem ich erfuhr, dass man die nicht stilechten (!) Lokschilder gegen meiner Meinung nach nicht so schöne ausgetauscht hatte, hofften wir drei Schwarzen im Stillen, dass das Verkehrsmuseum Nürnberg uns je ein Exemplar als kleines Dankeschön überlassen würde. Mitnichten: Die vier gegossenen Alu-Schilder gehören zum Fundus des Museums. Schade!

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