Die Baureihe 01 150

Seiten


Nächster nennenswerter Einsatz mit einem faden Nachgeschmack war die regionale Ausstellung im Güterbahnhof Bielefeld Ost am 8. Juli 1985 zum Jubiläum „150 Jahre Deutsche Eisenbahnen“. Beide Heizer Hahlbohm und Pook sowie ich brachten die Maschine auf Hochglanz. Dennoch erkundigte sich der damalige Leiter des Bundesbahn-Betriebsamtes Bielefeld, Herr Dahn, wie wir der Veranstaltung eventuell ein i-Tüpfelchen aufsetzen könnten. Wir überlegten nicht lange und sagten: „Anheizen!“ Die Idee kam gut an, wir standen somit an jenem Vormittag unter Dampf auf einem Stumpfgleis im Güterbahnhof und unternahmen zur Freude der Besucher laufend Pendelfahrten auf etwa 150 Meter Gleislänge.

Um zehn Uhr folgte dann die offizielle Eröffnung unter Teilnahme höherer Beamter aus Dortmund und Essen. Einige von ihnen waren allerdings schockiert, als sie beim Eintreffen das dampfende und rauchende Ungeheuer erkannten! Sofort wurde eine Meldung an den Maschinenamtsvorstand Karlheinz Silber in Hamm abgesetzt und umgehend folgte an uns die Weisung, sofort die Glut in der Feuerbüchse zu löschen und das Fahrzeug keinesfalls wieder zu bewegen.

Alle jene, die damals diesen lächerlichen Vorgang verfolgten, schüttelten nur den Kopf! Tage später wurde ich zu einem Gespräch nach Hamm einbestellt und wegen meines „groben Fehlverhaltens“ der Bahn gegenüber sprichwörtlich von Herrn Silber über den Tisch gezogen mit dem Vermerk, dieses bei meiner demnächst fälligen dienstlichen Beurteilung nachteilig zu berücksichtigen. Ich war in diesem Moment drauf und dran, die Brocken hinzuschmeißen, aber ich hielt durch!

Bei zukünftigen Fahrtvorbereitungen mit 01 150 ging das Maschinenamt dann anders vor: Am Tage eines geplanten Einsatzes der Lok erschien gegen vier Uhr in der Früh im Ringlokschuppen plötzlich ein Bundesbahn-Betriebsingenieur, suchte die 01 im Gleis 15 und prüfte durch Berührung mittels Handrücken einer Waschluke am unteren Stehkessel, ob wir auch wirklich nicht angeheizt hatten.

1985: Auf nach Nürnberg!

So schlimm waren damals die Zeiten! Dennoch: wir drei Schwarzen freuten uns auf den zu erwartenden Einsatz zum Jubiläum „150 Jahre Deutsche Eisenbahnen“ in Nürnberg, nachdem Herr Seidensticker bereit war, seine Lokomotive dafür zur Verfügung zu stellen. Am 30. August 1985 verließen wir am späten Nachmittag, gezogen von einer Lok der Baureihe 212 Bielefeld, fuhren bis Hagen und übernachteten dort erst einmal. Am Morgen des 31. August wurde dort der Museumszug für Nürnberg zusammengestellt, bestehend aus historischen Lokomotiven und Wagen mehrerer Epochen. Zuglok war dabei eine 216.

Das Tempo auf dieser 480 Kilometer langen Reise bestimmte das schwächste Glied in der Kette, und das war tatsächlich ein Kesselwagen aus dem Jahr 1898, dessen Höchstgeschwindigkeit folglich auf sage und schreibe 30 km/h festgelegt wurde. Gegen 8.30 Uhr verließen wir Hagen, um Mitternacht durchfuhren wir mit etwas Rauch am Schornstein Frankfurt (Main) und erreichten am nächsten Morgen Würzburg. Wir waren kaputt wie die Hunde und warm war es auf dem Führerstand auch nicht. Die zweite Übernachtung im Bw war fällig, es blieb bei knapp fünf Stunden, denn wir hatten ja noch 125 Kilometer bei Tempo 30 bis Nürnberg vor uns. Am späten Nachmittag erreichten wir endlich das Ziel – diese Fahrt werde ich nie vergessen!
Die Fahrzeuge wurden nun im Ausbesserungswerk verteilt.

Drei Tage später bereiteten wir unsere 01 150 für die Paraden am 7., 8., 14., 15. 21. und 22. September vor. Wir drei putzten die Lok vor jedem dieser Einsätze von oben bis unten, von vorn bis hinten. Sicherlich erinnern sich auch heute noch viele Teilnehmer dieser einmalig schönen Veranstaltung und des gepflegten Zustandes unserer 01. Jeweils nach den genannten Paraden mussten wir die angehängte Eilzugwagengarnitur im AW Nürnberg abstellen und durften danach tatsächlich mit eigener Kraft und ganz allein, also ohne Vorspannlok, rund um Nürnberg zum Bw 1 fahren, um dort die Kohlen- und Wasservorräte zu ergänzen. Im Stillen dachten wir dann immer wieder an die Herren Dampfgegner Binnewies und Silber. Das war für uns ein herrliches Erlebnis!

Nach den Tagen von Nürnberg las man in der DB-Zeitung, dass 280 Mitarbeiter wegen hervorragender Leistungen im Jubiläumsjahr geehrt worden seien. Ich gehörte nicht dazu. Vielleicht hätte ich die 01 150 während der Arbeitszeit restaurieren sollen …

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter