Die Baureihe 01 150

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Am 2. Oktober 1985 verabschiedeten wir uns aus der Frankenmetropole; eine Ellok der Reihe 141 brachte uns wieder nach Bielefeld. Am 6. und 7. Dezember, also an jenen Tagen, als 150 Jahre zuvor erstmals in Deutschland eine Eisenbahn gefahren war, veranstaltete die Bundesbahndirektion Essen Sonderfahrten von Bielefeld über Neubeckum und weiter auf der WLE-Strecke nach Münster. 01 150 wurde am 6. Dezember morgens rechtzeitig nach Neubeckum überführt, dort durften wir anheizen. Mittags folgte der Sonderzug, gezogen von einer Lok der Baureihe V 200. Nach dem Lokwechsel fuhren wir zur Freude der vielen Fahrgäste nach Münster, drehten die Lok, und nach einer Pause ging es wieder zurück bis Neubeckum.

Am 7. Dezember folgte vorerst der gleiche Ablauf bis zur Rückkehr nach Neubeckum. Und dann wieherte erst einmal wieder der Amtsschimmel: Wir kuppelten ab, die im Bahnhof abgestellte
V 200 zog bzw. schob uns auf den Ausschlackkanal der ehemaligen Außenstelle des Bw Bielefeld. Dort hieß es „Feuer aus!“. Wieder stellte das Maschinenamt in Hamm einen höheren Beamten ab, um das ordentliche Entfernen auch der letzten Glut auf der Rostfläche zu bestätigen. Das kurze Verschwinden seines Hauptes beim Blick in die Feuerbüchse empfinden wir drei auch heute noch als die Krone der Lächerlichkeit.

Nun ging es wieder zurück zum Bahnsteig an den wartenden Zug und man zog uns per Diesel nach Bielefeld zurück. Bekanntlich liegt der Streckenabschnitt Gütersloh – Brackwede in einer Steigung. Wir hätten den Fahrgästen so gern einmal gezeigt, was unsere Lok leisten kann, wenn man sie fordert, aber wir hatten ja keinen Dampf mehr, der reichte gerade noch, um gelegentlich zum Abschied unsere angenehme Tieftonpfeife erklingen zu lassen. Das waren für alle Fans, die sich damals mit dem Thema Dampflokomotiven beschäftigten, schlimme Zeiten bei der Bahn!

1986 erfuhr das alte Bw Bielefeld einen grundlegenden Strukturwandel. Im Rahmen der Umwandlung zu einem Stützpunkt war es zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, die bislang nötigen baulichen und technischen Einrichtungen wurden nicht mehr genutzt und somit auch nicht mehr unterhalten, ich denke da z. B. an die Drehscheibe einschließlich Ringlokschuppen. Dennoch brauchten wir für 01 150 eine neue Bleibe. Nach Gesprächen des Herrn Seidensticker mit der DB sah eine Lösung so aus, dass man uns als Ersatz für das frühere Gleis 15 den im Gleis 67 befindlichen Schuppen zur Verfügung stellte. Dieser war seit 1968 zum Ellokschuppen umfunktioniert worden, um darin an den elektrischen Wendelokomotiven Nachschauen auszuführen, Bremsen zu stellen bzw. Bremsklotzsohlen zu wechseln. Für unsere 01 150 musste das Gleis um einige Meter verlängert werden, um nach der Einfahrt auch die Tore schließen zu können.

Zehn Monate später hatte man uns mit der 01 150 vom 3. bis 5. Oktober 1986 nach Troisdorf eingeladen und wir fuhren mit dem legendären „Rheingold“-Zug an zwei Tagen jeweils viermal nach Lülsdorf. 1987 waren wir am 15. und 16. Mai zu Gast beim „Tag der offenen Tür“ in Bochum-Dahlhausen. Dort fanden mit unserer Lok Führerstandsfahrten auf dem Ausziehgleis statt. An beiden Tagen pendelten wir 131 (!) Mal. Ich zählte die Fahrten auf dem Indusi-Streifen nach.

Und schließlich folgten nach der Überführung der Lok am 11. und 12. Juli auf der Strecke der Extertal-Bahn Sonderfahrten. Die Privatbahn feierte ihr 60-jähriges Jubiläum. Auf der steigungsreichen Strecke zwischen Bösingfeld und Barntrup wurde von der Lokomotive wirklich alles abverlangt, Dampfmangel kannten wir dabei nicht. Wir fuhren mit einem furchtbaren Getöse die Steigungen an – der Lotse, der wohl zu diesem Zeitpunkt vorher noch nie auf dem Führerstand einer Schnellzugdampflok gewesen war, bekam Angst, man sah es ihm an. Dennoch: Wegen seiner Bedenken bezüglich unserer notwendigen, aber nicht überschrittenen Höchstgeschwindigkeit, blieben wir doch tatsächlich bei vollem Kesseldruck und funktionierender Sandstreueinrichtung 15 Meter vor dem Brechpunkt liegen! Die Fahrgäste stiegen alle aus und versuchten, uns mit Muskelkraft beim Schieben zu unterstützen. Das half uns leider nicht, die alte Holzkasten-Ellok Nr. 21 eilte nach und schob uns über den Brechpunkt.

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