Die Baureihe V 180: Großer Schritt ins Neuland

Die erste Lok war viel zu schwer, dann bekam man das Strömungsgetriebe nicht hin. Es war ein steiniger Weg bis zur bahnfesten V 180.

Text: M. Weisbrod
 
Von Erfurt über Sangerhausen nach Seddin führte der Laufweg dieses Zuges für die in der DDR stationierten Truppen der Roten Armee, bei den Eisenbahnern auch „Gardine“ genannt. Am 25. Mai 1986 entstand bei Blankenheim Trennungsbahnhof diese Aufnahme... © Hans-Dieter Jahr

Den Startschuss für den Traktionswechsel bei der Deutschen Reichsbahn gab die Sozialistische Einheitspartei auf ihrem 25. Plenum im Juli 1955. In der DDR war für jede Aktivität und jede Entwicklung ein Parteibeschluss erforderlich, und so forderte die Partei die Anwendung modernster Technik im Verkehrswesen. Das bedeutete die Abkehr von Dampflokomotiven und die Hinwendung zur elektrischen und Dieseltraktion.

Nun stellte sich die Situation im Verkehrswesen der DDR Mitte der 1950er-Jahre so dar: Nach 1945 hatten die Sowjets alle im mitteldeutschen Netz vorhandenen Elektrolokomotiven als Reparationsgut beschlagnahmt und nach Osten abgefahren. Die Fahrleitungsmasten hatten sie abgebrannt, den Fahrdraht eingerollt und beides in die Sowjetunion verbracht.
Erfahrungen beim Bau leistungsfähiger Diesellokomotiven gab es in der DDR nicht. Für den Einsatz solcher Maschinen konnte im Wesentlichen die vorhandene Infrastruktur genutzt werden. Für die elektrische Traktion mussten dagegen umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden: Fahrleitungsmasten gesetzt, Fahrleitung aus (teuerem) Kupfer gezogen, Unterwerke gebaut und Bahnstrom erzeugt werden. Das war alles sehr kostenintensiv, deshalb setzte die DDR zunächst auf einen Traktionswechsel durch Diesellokomotiven.

Am Anfang stand die Ausarbeitung eines Typenprogramms, an dem das Institut für Schienenfahrzeuge (hervorgegangen aus dem Zentralen Konstruktionsbüro in Wildau) und die Hauptverwaltung der Maschinenwirtschaft des Ministeriums für Verkehrswesen beteiligt waren. Man strebte ein Minimum an Typen an, bei dem möglichst viele Baugruppen baugleich und tauschbar waren.

Bauform des Dieselmotors
Nach dem aufgestellten Typenplan sollten normalspurige Diesellokomotiven mit Motorleistungen von 150, 600, 1.800 und 2.400 PS gebaut werden. Bei den Dieselmotoren entschied man sich für die schnelllaufende Bauart mit einer Nenndrehzahl von 1.500 Umdrehungen in der Minute. Diese ist kleiner und leichter als die langsamlaufende Bauform. Die Masse und der Raumbedarf sowie der Materialeinsatz und die Kosten sind geringer.

Eine weitere Grundsatzentscheidung betraf die Kraftübertragung: elektrisch oder hydraulisch? Bei der elektrischen Kraftübertragung treibt der Dieselmotor einen Generator an, der den Strom für die Fahrmotoren erzeugt, die wie bei der elektrischen Lokomotive an den Achsen sitzen. Bei der hydrodynamischen Kraftübertragung überträgt ein Strömungsgetriebe das Drehmoment vom Motor auf die Antriebsachsen. Das Strömungsgetriebe besteht aus Kreiselpumpen und Kreiselturbinen. Der Dieselmotor beschleunigt mit den Kreiselpumpen einen Ölstrom, der die Turbinen antreibt, die die Antriebswelle des Getriebes bewegen. Die DR entschied sich für die hydrodynamische Kraftübertragung, die leichter und billiger war. Hier konnte auch weitgehend auf den teueren Rohstoff Kupfer verzichtet werden, denn für eine Lok mit 2.000 PS Nennleistung waren nur ca. 400 Kilogramm Kupfer erforderlich gegenüber acht bis zehn Tonnen bei elektrischer Kraftübertragung.

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