Die deutsche Super-Pacific

Die 2’c1’-Neubauschnellzuglok - Nur zwei Exemplare wurden gebaut, und nach nur zehn Jahren schon wieder abgestellt.
 
Die 10 002, aufgenommen bei einer Probefahrt in der Nähe von Minden am 25. November 1960 Foto: C. Bellingrodt/Slg. H. Brinker © C. Bellingrodt/Slg. H. Brinker
Warum versuchte Anfang der 1960er-Jahre ein kleiner Junge im hessischen Bebra ständig, seine Eltern davon zu überzeugen, dass der sonntägliche Nachmittags-Spaziergang doch zum Bahnhof führen sollte und nicht in den Stadtpark oder die Fuldaauen? Nun, Sohnemann hatte in Maedels „Geliebte Dampflok“ eine Lok entdeckt, die so ganz anders aussah als das, was sonst auf deutschen Schienen herumfuhr. Und vom Vater hatte er erfahren, dass es nur zwei Exemplare dieser Wunderlok geben soll, und diese ausgerechnet im heimatlichen Bebra zu Hause seien. Und nachmittags standen die Chancen gut, eine oder gar beide 10er im Bahnhof Bebra zu erwischen …

Gegen halb Eins war eine Lok mit dem D 199 in Bebra eingetroffen und wurde dann im Bw versorgt, bestens vom Bahnsteig oder einer Straßenbrücke aus zu beobachten. Höhepunkt des Tages sollte dann gegen halb Sechs die Ein- und Ausfahrt des D 289 aus Würzburg zur Weiterfahrt Richtung Norden sein: Bei diesem Zug wurde in Bebra umgespannt, planmäßig von 10 auf 10 – wenn denn beide 10er auch tatsächlich einsatzfähig waren! Solche Details kannte ich damals natürlich noch nicht, aber Hauptsache, eine 10 war da und konnte bestaunt werden mit ihren Teilverkleidung, den glänzenden Aluminium-Zierstreifen an Lok und Tender, den eigenartigen Windleitblechen, dem allseits geschlossenen Führerhaus und der spitzen Rauchkammertür!

Komplizierte Vorgeschichte
Rund zehn Jahre zuvor war daran in dieser Form noch nicht zu denken. Schon 1949 dachte man im Eisenbahn-Zentralamt über eine neue Schnellzug-Dampflok nach, gefertigt nach den neuen Baugrundsätzen, die ja auch bei den Baureihen 23, 65, 66 und 82 zur Anwendung kamen. Eine relativ leichte 1’C1’ mit zwei Zylindern für 130 km/h schwebte den Bundesbahn-Planern vor, bestens geeignet für moderne Schnellzüge aus den neuen, in der Entwicklung befindlichen, leichten 26,4-Meter-Schnellzugwagen. Doch andere Baureihen hatten Vorrang, und so verschwanden die verschiedenen Entwürfe der Lokindustrie für die neue Schnellzuglok wieder in der Schublade.

Es wird eine Pacific
Ende 1951 kam das Thema wieder auf die Tagesordnung, und jetzt war von einer 1’C1’ keine Rede mehr: Eine 2’C1’sollte es werden, als Dauergeschwindigkeit waren 140 km/h vorgesehen, schon war das Zweizylinder-Triebwerk vom Tisch. Dreizylinder, Dreizylinder-Verbund oder gar Vierzylinder-Verbund – es wurde heiß diskutiert, und es passierte wiederum nichts!

Erst 1953 verfügte die Hauptverwaltung der Bundesbahn, die neue Schnellzuglok als 2’C1’h3 zu bauen, also in einer altbekannten Bauart: Die DB verfügte damals schon über 54 schwere (01.10) und 26 leichte (03.10) Maschinen dieser Spezies. Und sparen wollte die DB auch: Da die Loks der Baureihe 01.10 seinerzeit zur Neubekesselung anstanden, sollte die neue Baureihe 10 mit eben einem solchen Neubaukessel versehen werden. Spätestens jetzt war klar, dass die neue Schnellzuglok nichts weiter werden würde als eine modernere und schwere 01.10 …

In den folgenden Jahren wurde fröhlich weiter konstruiert, und erst 1955 stand fest, wie die 10 nun letztendlich zu bauen war. Zu diesem Zeitpunkt stand ebenfalls längst fest, dass es nur bei den beiden Maschinen bleiben sollte: Die Elektrifizierung machte Fortschritte, die V 200 eroberte die Schienen – eine neue Dampf-Schnellzuglok in Serie brauchte man nicht mehr.
So ging es nun in erster Linie darum, aus der 10 wenigstens ein optisches Schmuckstück zu machen, sollte doch zum Abschluss der Dampflok-Entwicklung eine besondere Maschine auf die Gleise gestellt werden!

So wurde nicht nur die Gestaltung der Verkleidung diskutiert, man machte sich sogar über eine andersartige Farbgebung der neuen Loks Gedanken: Allen Überlegungen zum Trotz wurde die 10 aber weder blau, rot oder hellgrau lackiert, sondern konventionell schwarz.

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter