Die kleine Universallok

Seiten


Technische Besonderheiten
Was machte die 66 eigentlich so gut? Da ist zum einen der recht kleine Kessel mit Verbrennungskammer, der sich als sehr verdampfungsfreudig erwies und extrem überlastbar war: Problemlos ließen sich statt der prognostizierten 6,5 Tonnen Dampf pro Stunde auch acht Tonnen erreichen. Das Verhältnis von Feuerbüchsheizfläche zu Rohrheizfläche lag extrem günstig; die hohe Überhitzertemperatur von 450 Grad Celsius machte den Kessel zudem sehr wirtschaftlich.

Auch das Laufwerk der Lok weist einige Spezialitäten auf, mit 
denen die Laufruhe der Lok verbessert werden konnte. Die führende Laufachse und die erste Kuppelachse sind ein einem Krauss-Helmholtz-Lenkgestell vereinigt. Dieses Gestell sowie das zweiachsige Nachlauf-Drehgestell wurden mit einer je nach Fahrrichtung umstellbaren Rückstellvorrichtung versehen, die mittels Druckluft vom Führerstand aus betätigt werden konnte. Durch die Rückstellvorrichtung konnten sowohl der Geradeauslauf der Lok als auch ihr Lauf in Krümmungen sehr verbessert werden.

Große Gegengewichte sorgten für einen sehr guten Massenausgleich, wobei man sich hier eines Tricks bediente: Bei der Berechnung der Gegengewichtsgröße ist laut Gesetz vom Achsdruck auszugehen: Während man bei bisherigen Dampflok-Konstruktionen von der tatsächlichen Achslast ausging, wählte man bei der 66 den zulässigen Achsdruck, also 20 Tonnen statt der realen 15 Tonnen. Waren bislang bei schnellfahrenden Zweizylinder-Loks nur rund 20 Prozent der beweglichen Triebwerksmassen ausgeglichen, erreichte man bei der 66 über 50 Prozent! Beim Triebwerk fällt weiter die vollständige Verwendung von Wälzlagern an allen Treib- und Kuppelachslagern sowie den beweglichen Teilen der Steuerung auf.

Auch in Sachen Aufbauten hatte man dazugelernt: Führerhaus und Wasserkästen wurden nur am Rahmen, nicht untereinander verbunden, um Schwingungsrisse zu vermeiden, die bei den ersten 65 und 82 aufgetreten waren. Ansonsten entsprachen die Loks den neuen Baugrundsätzen, die u. a. eine vollkommene Schweißung vorsahen.

Die Leistungsfähigkeit der 66 belegt auch die Belastungstabelle, die dem Merkbuch für Schienenfahrzeuge der DB aus dem Jahre 1953 entnommen wurde. Bei den gezeigten Werten (siehe Kasten) handelt es sich um errechnete Werte, in der Praxis war der 66 noch etwas mehr abzuverlangen. Die Tabelle anders gelesen, ergeben sich für einen Beispielzug (Personenzug, 400 Tonnen, Steigung 1:250) folgende erreichbare Geschwindigkeiten:
–     66    70 km/h
–    3810    67 km/h
–    64    62 km/h
–    78    68 km/h.

Eine hessische Dampflok
Beide 66er wurden zunächst dem Bw Frankfurt 3 zugeteilt. 66 002 erschien dort am 14. Oktober 1955 als fabrikneue Lok, 66 001 kam erst nach über einen Jahr dazu, da sie zuvor in Minden erprobt worden war. Eingesetzt wurden die beiden Loks in Frankfurter Plänen mit den Baureihen 3810 und 78. Die Laufpläne umfassten Leistungen im Nahverkehr von der Main-Metropole aus bis nach Wiesbaden, Darmstadt, Mannheim, Hanau und Aschaffenburg, wobei im Berufsverkehr Züge von bis zu 18 Umbau-Dreiachsern bespannt wurden. 400 Tonnen am Zughaken bewältigen die kleinen Loks problemlos. Die ausgereifte Konstruktion der 66 erlaubte jährliche Laufleistungen von fast 100.000 Kilometern.

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter