Die lange Jagd

Gesucht: Diesellok 4 Im September 1969 besucht Dieter Höltge mit seiner Familie die Inselbahn Spiekeroog. Eifrig fotografiert er die Fahrzeuge; nur Diesellok 4 ist nicht dabei. Also muss er es ein weiteres Mal versuchen.
 
Auf dem Anlieger von Spiekeroog empfängt am 3. September 1968 der VT 5 (ehemals Emden – Pewsum – Greetsiel) samt Zug seine Gäste. Der Triebwagen sollte sich noch öfter zeigen.	Alle Bilder Dieter Höltge © Dieter Höltge
Es war Anfang September 1969, die Haupturlaubszeit bereits vorüber. Die zwei Söhne waren noch nicht schulpflichtig und ich hatte eine Woche Urlaub. Wir wollten Ostfriesland und einige Inselbahnen kennenlernen. Da ich noch am Anfang meines Berufslebens stand, zeigte sich das Einkommen nicht allzu üppig; beim Hobby war also Sparen angesagt. So wählten wir von den fünf ostfriesischen Inselbahnen jene aus, zu denen mit einer Tageskarte die Überfahrt für dreieinhalb zahlende Gäste erschwinglich war: Juist, Langeoog und Spiekeroog. Letztere schien wegen ihrer Triebfahrzeuge und des Wagenparks die interessanteste zu sein.

Der Tidefahrplan war in der ersten Septemberwoche so gestaltet, dass entsprechend der Flutzeiten Überfahrten an einem Tag möglich waren, das heißt, man konnte mit der Flut morgens zur Insel kommen und abends das Festland wieder erreichen. So war eine Übernachtung erschwinglich, und man war nicht Kurtaxen und Preisdiktaten der Inselbewohner ausgeliefert.

Gemischte Garnitur auf Spiekeroog
Alles ging zunächst nach Plan: Aufbruch mit dem etwas altersschwachen „Käfer“ vom damaligen Wohnsitz in Hannover war morgens um drei Uhr. Die Fahrt ging über Delmenhorst und Oldenburg nach Bensersiel zur Überfahrt nach Langeoog. Wir verbrachten einen Tag bei der Inselbahn, die streckenmäßig nicht sehr viel hergab, und zur Freude der Kinder am Strand. Am Abend schwammen wir mit dem Schlickrutscher zurück nach Bensersiel.

Mühsam war die Suche nach Unterkünften in Carolinensiel: Wir brauchten ein Hotel für die Familie und einen Standplatz im Gefälle für den „Käfer“, damit er am nächsten Morgen zuverlässig ansprang. Früh begann die Fahrt durchs Wattenmeer mit der „Spiekeroog II“ zur Insel. Bald kam ein spundwandgesicherter, hölzerner Anleger in Sicht, auf dessen vier Gleisen ein einheitlich rot/weiß gestrichener Personenzug stand. Er setzte sich zusammen aus VT 5 (Wismar 1936) sowie vier vierachsigen Personenwagen; die Wagen 18 bis 20 stammten von der Kleinbahn Hoya-Syke-Asendorf (HSA) und waren dort neu karossiert worden, Wagen B4i 11 hatte die Inselbahn selbst aus einem alten Zweiachser umgebaut.

Dem Ganzen war ein vierachsiger Flachwagen mit Kran angehängt, der vom Schiff Container mit Reisegepäck übernahm. Daneben warteten die zweiachsige Diesellok 6, 1965 von Schöttler gebaut, und ein Mehrwagenzug aus Flach-, O- und G-Wagen, die mit Containern, Getränkekisten, Baumaterial und sonstigen Gütern beladen waren. Nach Beendigung des Ladegeschäfts spannten sich lautstark die Kupplungsketten, der Zug setzte sich langsam in Bewegung und verließ die Anlegebrücke über eine gut 100 Meter lange hölzerne Pfahljochstrecke, bis er zwischen Dünenbergen festes Land erreichte. Nach einem Abzweig zum Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) erreichten wir die Haltestelle Zeltplatz, danach den Haltepunkt Westen, und ein im Halbkreis ums Dorf gebauter Deich versuchte, uns den Weg zu versperren.

Durch ein verschließbares Deichtor, von einem Fußweg überbrückt, kamen wir im Endbahnhof an, und hier gab es viel zu sehen: Ein modernes Bahnhofsgebäude, ein Bahnsteig- und ein Umsetzgleis, einen dreigleisigen Triebfahrzeugschuppen mit Werkstatt sowie eine Güterhalle, in die ein Gleis führte. Neben den Umladegleisen zu den Pferdewagen, den Transportmitteln auf der Insel, gab es einen dreigleisigen Abstellbahnhof, auf dem alle möglichen Fahrzeuge standen: Die kleine Diesellok Köf 2, 1940 ex Wangerooge, der 1964 auf ein Fahrgestell aufgebaute selbst fahrende Kran mit der Nummer 3, der zweiachsige Personenwagen 15 mit offener Plattform (ex Pferdebahn Juist) und Wagen Bi 17, ehemals Leer-Aurich-Wittmund (LAW), dazu eine Reihe von Güterwagen, deren vergilbende Beschriftung ihre Herkunft von der Kreis Altenaer Eisenbahn bezeugten.

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