Die lange Jagd

Seiten


Der Besuchstag auf Spiekeroog war ein Sonnabend, Tag des Bettenwechsels. Trotzdem empfing uns auf dem Anleger wieder nur der bekannte VT 5 mit seinem Vierachserzug, als zweiter Zug stand die Diesellok 6 mit den Zweiachsern 16 und 17 sowie einigen Güterwagen bereit. Beide Züge wurden zusammen rangiert: Diesellok 6 führte, VT 5 schob nach, und die Fuhre bewegte sich vorsichtig auf den Endbahnhof zu. Dort hatte sich in der Abstellanlage einiges verändert, manches fehlte, dafür gab es neue Inselbewohner: Zahlreiche O- und OO-Wagen im  Original- anstrich der Oberrheinischen Eisenbahngesellschaft (OEG), einige waren auch schon zu Flachwagen degradiert worden. Die begehrte Diesellok 4 stand untätig im Schuppen. Die zweite Inselinvasion war also wiederum erfolglos. Jedoch gab es ausreichend Zeit für Strandwanderungen, Burgenbau und eine Streckenbegehung im WSA-Anschluss.

Versuche Nummer drei und vier
Der dritte Inselbesuch fand im Juli 1979 statt. Wir hatten uns über ein Reisebüro Ferienzimmer für je eine Woche in Ostfriesland und auf der Insel Fehmarn bestellt. Allerdings kam zum 1. Juli meine Versetzung nach Goslar und vorläufige Abordnung nach Hildesheim dazwischen. Trotzdem starteten wir von Braunschweig aus, wo wir eine Wohnung genommen hatten, über die Kleinbahn Edewecht – Bad Zwischenahn mit Güterzugbegleitung in die erste Etappe nach Middels-Westerloog. Von hier aus hatten wir Gelegenheit zum Besuch von Mooren, Seen, Moorbahnen, Schlössern und Sehenswürdigkeiten, der Stadt Emden und den Streckenresten der Kleinbahnen EPG und LAW.

Wiederum begrüßten uns die bekannten VT 5 und Diesellok 6 mit ihren Zügen. Aber dann! Mittags öffneten sich die Toren des Schuppens, Diesellok 4 fuhr heraus, rangierte einige Güterwagen, stellte einen Zug zusammen und verschwand wieder in ihrer „Schlafstelle“. Es gelangen einige Aufnahmen. Doch das Unglück schreitet schnell: Nach der Entwicklung der Filme stellte ich fest, dass gerade der mit der Diesellok 4 dem Chaos der Gepäckverladung oder des Umzugs zum Opfer gefallen war, er fehlte. In der nachträglich erstellten Bilderliste klaffte ein Loch, aber wenigstens die Farbdias waren gelungen und vorhanden.

Den letzten Besuch der Insel unternahm ich allein im Juni 1980. Ich hatte beruflich eine Aufgabe erhalten, die mich durch ganz Niedersachsen führte: Dafür benutzte ich zwei Amtsgerichtstermine in Aurich an einem Freitag und verband sie mit einem privaten Wochenende an der Küste. Und nun war der Besuch auf der Insel ein voller Erfolg: Im Bahnhof rangierte fotogerecht V 4 und fuhr mit einem Güterzug auf die Strecke. Damit war meine Sammlung vollständig, und ich habe die Insel Spiekeroog seither nicht wieder gesehen. Sie erhielt im Mai 1981 einen neuen ortsnahen Hafen.

Die Inselbahn war damit überflüssig, ihre Fahrzeuge wurden kurz darauf in alle Winde verstreut. Diesellok 6 ging nach Langeoog, Diesellok 4, B4i 12 und 13 ex Zell-Todtnau kamen im Tausch gegen die Pferdebahnwagen 7 und 21 in das Straßenbahnmuseum Stuttgart, die vierachsigen Plattformwagen 11, 18 bis 20 sowie die XX-Wagen 41, 42 bis 47 nach Wangerooge. Seit 13. Juni 1981 wird auf der Insel wie 1885 und 1949 wieder eine Pferdebahn betrieben, allerdings nur sporadisch auf einer Teilstrecke im Museumsverkehr.

Dieter Höltge

Weitere Informationen und Bilder finden Sie im LOK MAGAZIN 09/10!
 

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter