Durch 39 Tunnel

Meisterstück eines Ingenieurs - Eine Bahnlinie durch und über ein Gebirge zu bauen, erfordert Können, Mut und Geist. Robert Gerwig brachte das alles und viel mehr auf. Seine Strecke kommt mit verblüffend geringen Steigungen aus.

 
Am 1. September 1964 ist der E 594 von Stuttgart nach Konstanz in Radolfzell zum Halten gekommen. Der Zug ist erst seit Hattingen (Baden) auf der Strecke. Zuglok ist die 39 058 vom Bw Stuttgart © Lok-Magazin

Warum gilt diese Strecke als Meisterwerk des Bahnbaus oder gar Meisterwerk der Technik? Dieses Attribut ist untrennbar verbunden mit dem Schöpfer der Schwarzwaldbahn, Robert Gerwig. Er verkörperte Weitblick, Vielseitigkeit und Kompetenz auf vielen Wissensgebieten zu einer Zeit, als die Wissenschaft noch nicht in unzählige Teilgebiete zersplittert war. Um uns einen Überblick zu verschaffen, was das Besondere an dieser Bahn ist, besteigen wir in Offenburg in der Oberrheinebene, 159 Meter über dem Meer, einen Zug nach Konstanz, am besten einen Wagen mit Fenstern zum Öffnen.

Nach dem Verlassen des Bahnhofs trennen wir uns auf Höhe des mittelalterlichen Stadtzentrums von der Oberrheinbahn. Die ersten 33 Kilometer bis Hausach verlaufen in der breiten Kinzig-Talaue. Die Festung Ortenberg, die ehemalige Reichsstadt Gengenbach sowie Biberach und Haslach ziehen vorüber. In Hausach (km 33) verlässt der Zug die nach Freudenstadt führende Kinzigbahn und wendet sich nach Süden in das malerische Gutachtal. Ab dem ehemaligen Haltepunkt Gutach steigt die Strecke an der östlichen Talflanke aufwärts. Unser Zug durchfährt den ersten Tunnel, passiert den imposanten Reichenbachviadukt und läuft in den Bahnhof Hornberg (km 42), 384 Meter hoch, ein.

Die Doppelkehren – ein Meisterstück!

Nach Ausblicken auf das Schloss und die tief liegende Stadt gelangen wir wenige Kilometer weiter in den Bereich der Doppelkehren. Beim Dorf Niederwasser gewahrt man rechts oben den demnächst zu befahrenden Streckenteil. Auf die drei kurzen Glasträgertunnel folgt der Niederwasser-Kehrtunnel, worauf man die eben durchfahrene Strecke rechts unten sieht und der Zug nach Norden zurück nach Niederwasser fährt.

Nach dem Durchstoßen fünf weiterer Tunnel und dem zweiten Kehrbogen entlang dem Seitental von Niedergieß verläuft die Strecke wieder nach Süden und durchstößt den 791 Meter langen Eisenberg-Tunnel. Beim Überqueren des Obergießtales gewahrt man tief unten die beiden Streckenstücke bei der ersten Kehrschleife und durchfährt danach den heute aufgelassenen Bahnhof Niederwasser.

Inmitten von viel Eisenbahn: Triberg

Nach weiteren vier Tunneln und Ausblicken auf die Granitfelsen des engen Gutachtales, „Hölle“ genannt, sehen wir links oben die beiden Bahnabschnitte, die oberhalb Tribergs durchfahren werden. Nach einem weiteren Tunnel folgt der 616 Meter hoch gelegene Bahnhof Triberg (km 56) unterhalb des romantischen Städtchens. Durch eine Anzahl großartiger Schluchten und Felsszenerien ist die eben befahrene Strecke landschaftlich die interessanteste, baulich wird sie jedoch von der folgenden übertroffen. Gleich hinter Triberg folgt die zweite Bahnschlinge.

Der Zug biegt in den Kleinen Triberger Tunnel ein, überquert den von der Sommerau kommenden Nußbach und wendet sich im 834 Meter langen Großen Triberger Kehrtunnel auf drei Kilometer nach Norden gegen Hornberg zurück. Nach vier Tunneln biegt die Bahn ins Gremmelsbachtal ein und durchfährt den 911 Meter langen Gremmels - bachtunnel. Jetzt passieren wir den „Dreibahnenblick“: Tief unten rechts glitzert die Gutach, und schimmern silbern die Schienenstränge zweier durchfahrener Bahnabschnitte – Glanzpunkt der Fahrt!

Der Blick fällt nochmals auf den unteren Teil Tribergs. Nach dem Grundwaldtunnel durchfahren wir den stillgelegten Bahnhof Nußbach. Es folgen sieben meist kürzere Tunnel entlang dem Nuß - bachtal. Schließlich verschlingt uns für knapp zwei Minuten der 1.697 Meter lange Sommerau-Scheiteltunnel, Höhepunkt der Reise, 834 Meter über dem Meer und gleichzeitig europäische Rhein-Donau- Wasserscheide.

Aus dem Donaugebiet zurück zum Rhein

Nach Durchfahren des ehemaligen Bahnhofs Sommerau (km 68) folgt der Zug in sanftem Gefälle dem lieblichen Brigachtal, hält in Sankt Georgen und erreicht die Zähringerstadt Villingen (km 86), 704 Meter hoch gelegen. Nächste Station ist Donau- Eschingen, wo sich Brigach und Breg zur Donau vereinigen. Entlang der jungen Donau passieren wir Hintschingen, wo die Strategische Bahn von Süden einmündet. Über Immendingen, 658 Meter hoch gelegen, wo die Strecke aus Tuttlingen anschließt, gelangen wir nach Hattingen, dem zweiten Scheitel der Strecke und 690 Meter hoch gelegen.

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