Ende in Crailsheim

Die Karriere der Bundesbahn-Neubaulok der Baureihe 23 war kurz, doch alles in allem erfolgreich. Noch acht Exemplare sind erhalten, einige sogar betriebsfähig.

Text: M. Weltner

 
Als die Baureihe 23 in Crailsheim noch neu war: Mit dem Personenzug 2818 am Haken verlässt die 23 060am 25. August 1967 ihre neue württembergische Heimat. Helmut Dahlhaus © Helmut Dahlhaus

Ende 1969 hatte der Bestand der Baureihe 23 beim Bw Crailsheim mit 39 Maschinen seinen Höhepunkt erreicht. Ungefähr zeitgleich begann der Umbau der Baureihe auf Nassdampfregler – eine Entfeinerung, die aber höhere Zuverlässigkeit bedeutete und dem Lokführer sein wichtigstes Arbeitsinstrument wieder an die gewohnte Stelle brachte. Drei Jahre später, 1972, begann die planmäßige Abstellung der 23er: Die Bundesbahn zeigte keine Skrupel, ihre erst rund 15 Jahre alten Neubauloks aufs Abstellgleis zu schicken, wenn größere Schäden auftraten oder kostspielige Untersuchungen anstanden. So hatte sich der Bestand an betriebsfähigen Loks bis Ende 1974 auf 16 Maschinen reduziert.

Doch es ging schnell weiter bergab: Am 28. September 1975 wurde mit 23 002 die dienstälteste 23 abgestellt – im Dezember des selben Jahres hätte sie ihren 25. Geburtstag feiern können. Noch 1975 wurden die letzten drei 23er der Bundesbahn abgestellt: 023 029 am 12. November, 023 023 am 15. Dezember und die 023 058, die heute in der Schweiz betriebsfähig erhalten wird, folgte als letzte am 30. Dezember.

In der Blütezeit der Crailsheimer 23 wurden die Loks noch weiträumig eingesetzt und wendeten unter anderem in Aschaffenburg, Würzburg, Mannheim, Ludwigshafen, Karlsruhe, Schorndorf, Ulm, Ansbach und Nürnberg. Eilzüge zählten zum täglichen Brot der Loks, selbst den einen oder anderen Schnellzug vertraute man ihnen an. Im Laufe der Jahre tauchten jedoch neue Ulmer 215 und Würzburger 220 in den Plänen der 023 auf, die in abnehmender Zahl immer mehr auf den Raum Crailsheim/Lauda konzentriert wurden: 1970 umfasste der Crailsheimer 023-Umlauf noch 20 Tage.

Fünf Jahre später, im Sommer 1975, gab es nur noch einen Mini-Umlauf für drei Loks, zwei davon nächtigten in Lauda, um auf der Strecke nach Crailsheim eingesetzt zu werden.

Die große Zeit der Crailsheimer Einsätze war da bereits vorüber, der entscheidende Aderlass war die Aufnahme des elektrischen Betriebes auf der Verbindung Würzburg – Lauda – Osterburken – Neckarelz am 1. Juni 1975 gewesen: Die Dampflok-Personale fuhren jetzt nicht mehr auf Dampflokomotiven aus den 1950er-Jahren, sondern auf Elloks aus den 1930er-Jahren! Würzburger 118 und 144 sowie Kornwestheimer 193 stellten nun ihren Arbeitsplatz dar. Am 27. September 1975 fuhren die letzten planmäßigen 023 von Lauda aus: 023 023 bespannte N 7511 nach Crailsheim, 023 058 den nachmittäglichen N 7543 mit dem selben Fahrziel – dies war der letzte planmäßig mit einer 023 bespannte Zug der DB überhaupt.

Eine Episode: Die Baureihe 23 in Hameln
März 1969, der Frühling rückt näher, und für den Weg zur Schule benutzte ich wieder das Fahrrad, statt mit dem Bus zu fahren. Mein morgendlicher Weg führte direkt am Bw Hameln vorbei, wo es immer etwas Interessantes zu sehen gab. Doch an diesem Märztag sah ich im morgendlichen Nebel die Silhouette einer ungewohnten Lokomotive, die keinesfalls zu den hier stationierten 44ern oder 50ern passen konnte. Fast lautlos rollte die Lok an mir vorbei: 023 097 war auf ihrem Lokschild zu lesen. Noch am selben Tag machte ich mich bei einem örtlichen Lokführer schlau: Unser Bw hatte vier betriebsfähige Loks der Baureihe 023 erhalten, hinzu kam eine z-Lok der gleichen Baureihe.

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