Endstation Rheine

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Probleme bereitete nun aber in zunehmendem Maße die Schadanfälligkeit der Loks, hervorgerufen durch die über Jahre hinweg hohe Belastung und gleichzeitig nur noch leidliche Unterhaltung. So wurde schon im Oktober 1972 die Dreifach-Besetzung der 012 eingeführt, d. h. nur noch drei Personale waren einer bestimmten Lok zugeteilt und für diese verantwortlich.
Die Maßnahme zeigte zu­nächst Erfolge, durch die ständigen Abstellungen von 012-Loks mit abgelaufenen Fristen entpuppte sich die Dreifach-Besetzung aber schon bald als Theorie. Immer öfter mussten 042 (41 Öl) in den Plänen der 012 aushelfen, vorzugsweise vor den langsameren Zügen.

Nachdem sich die angespannte Lok-Situation durch den Minderbedarf im Winterfahrplan 1973/ 74 wieder normalisiert hatte, sorgte im November 1973 die bundesweite Ölkrise für ein jähes Ende fast aller 012-Einsätze: Der Umlauf wurde aufgelöst, lediglich 012 055 und 012 075 durften noch in einem Ein-Tages-Plan rares Öl verfeuern. Die restlichen Maschinen wurden in Osnabrück abgestellt und erst im Januar 1974 wieder angeheizt: Die Abstellzeit blieb nicht ohne Folgen, die 012er zeigten sich fortan wieder recht schadanfällig und mussten häufiger als geplant für Reparaturen ins AW Braunschweig einrücken.

Doch selbst vor den im Sommer 1973 eingeführten neuen DC-Zügen durften sich die Rheiner 012 ein paar Wochen austoben: Da im April/Mai 1974 in Norddeich wegen der Reparatur der Drehscheibe nicht gewendet werden konnte, konnten die 012 nur bis Emden fahren. 216 übernahmen die Leistungen an die Küste, die 012 bespannten dafür die kurzen DC-Namenszüge zwischen Rheine und Emden.  Anfang 1975 wurde bekannt, dass die Bundesbahn den folgenden Sommerfahrplan ohne 012 plane: Schon bald tauchten erste Dieselloks in den 012-Umläufen auf, um das Personal zu schulen. Und diese Schulungen waren offensichtlich von Erfolg gekrönt. Am 31. Mai war der offiziell letzte Betriebstag für die 01.10, einsatzfähig waren noch 012 061, 063, 066, 075, 081 und 100. 012 081 hatte an diesem Tag die Ehre, mit D 714 den letzten dampfgeführten Schnellzug der Deutschen Bundesbahn zu führen.

Im Sommer kam es dann auch, wie Skeptiker es befürchtet hatten: Nicht minder schad­anfällige 220 des Bw Oldenburg waren mit den schweren Saison-Bäderzügen oft überfordert und mussten abspannen. Aber zu diesem Zeitpunkt standen die Rheiner 012 längst auf „z“. Letzte DB-01.10 unter Dampf sollte übrigens 012 061 werden, die am 1. Juni noch einen Kinder-Sonderzug über die Emslandstrecke beförderte, am 8. Juni einen Zug für Eisenbahnfreunde durchs Weserbergland zog und am darauf folgenden Wochenende nach Neuenmarkt-Wirsberg fuhr, um ins dortige Museum einzuziehen. Zuvor war sie erstmals in ihrer Karriere vor Sonderzügen auf der „Schiefen Ebene“ eingesetzt worden …


Fazit
Nur selten hat sich die Modernisierung einer Dampflok so gelohnt wie bei der 01.10: Dank Hochleistungskessel und Ölfeuerung wurde aus der durchschnittlichen alten 01.10 die deutsche „Super-Pazifik“, wie sie auch K.-E. Maedel einst genannt hatte. Leistungsmäßig jeder Diesellok ihrer Zeit überlegen, musste sie nur der Elektro-Traktion sowie dem Streben der DB nach einer Eisenbahnwelt ohne Dampf weichen. Die Umbaukosten haben die Loks mit Sicherheit eingefahren, mehrere 01.10 erreichten in ihren bis zu 35 Dienstjahren Laufleistungen von über 4,1 Millionen Kilometern, und davon wurde mit Sicherheit der allergrößte Teil mit Hochleistungskessel und Ölfeuerung für die DB erbracht.    

Martin Weltner

Weitere Informationen finden Sie im LOK MAGAZIN 12/10!

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