EuroCity-Verkehr im Allgäu: International – und auch provinziell

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Die aufwändige Route der Ludwig-Süd-Nord-Bahn über Kempten, Immenstadt und Oberstaufen hat sich im Lauf der weiteren Jahrzehnte zu einer zweigleisigen Hauptbahn entwickelt. Trotzdem verlangt sie den Zügen bis heute eine rund 20 Minuten längere Fahrzeit gegenüber der Memminger Strecke ab. Die nimmt der Eisenbahnfreund aber gerne in Kauf – schließlich führt die Route durch eine der schönsten Regionen Deutschlands.

Südlich von Buchloe wandelt sich die Landschaft: Die weite Ebene weicht den ersten Hügeln des Allgäus. Kaufbeuren, die einstige freie Reichsstadt mit heute rund 44.000 Einwohnern passiert der EC ebenso ohne Halt wie zahlreiche kleinere Ortschaften, darunter auch Biessenhofen mit seinem idyllischen Erscheinungsbild und der abzweigenden Nebenbahn nach Füssen. Ein herrliches Alpenpanorama erhebt sich nun im weichen Morgenlicht. Und irgendwo an den steilen Hängen in der Ferne erahnt der Ortskundige das Märchenschloss Neuschwanstein, erbaut  im 19. Jahrhundert vom bayerischen König Ludwig II, der von 1864 bis 1886 die Geschicke des Staates lenkte.

Für die folgenden 128 Kilometer bis Lindau sind dauerhaft hohe Geschwindigkeiten nun kein Thema mehr: Die krümmungsreiche Streckenführung durch das immer hügeligere Land bremst die Züge oft auf 70 bis 100 Stundenkilometer. Doch die Ausblicke in die sanfte Voralpenlandschaft entschädigen dafür umso mehr. Ja, die langsame Fahrt ermöglicht erst den wahren Genuss des Allgäus mit seinen braunen Kühen auf saftig grünen Wiesen und uralten Bauernhäusern. Vom 801 Meter hoch gelegenen Bahnhof Günzach rollt der Zug über die gleichnamige Steige hinab ins Illertal, um die 61.000-Einwohner-Stadt Kempten zu erreichen. Drei Minuten vor Plan kommen wir am Bahnsteig zum Stehen – die Fahrzeiten sind wahrhaft großzügig bemessen.

Zu Zeiten des Dampfbetriebes, als Kempten noch einen Kopfbahnhof vorwies, herrschte in der Allgäumetropole mit römischer Vergangenheit ein wesentlich lebendigerer Bahnalltag als heute. Zwar wurde das Bahnbetriebswerk bis heute erhalten, doch zu Zeiten, als die berühmten S 3/6 noch schwere Schnellzüge durch das Allgäu zogen, war hier ein echtes Zentrum des Bahnbetriebs zu erleben. Heute kann Kempten, mit einem nüchternen Durchgangsbahnhof im Stil der 1960er-Jahre und einem weitgehend funktionslos gewordenen Güterbahnhof, höchstens noch dank seiner zahlreichen 218 die Fans begeistern.

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