Görlitz: Seit 1847 per Bahn erreichbar

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Vor dem Zweiten Weltkrieg bildeten vier Kursbuch-Streckentafeln den Verkehrsknoten Görlitz. Ausgangs- bzw. Endpunkte waren Dresden, Liegnitz (– Breslau), Hirschberg (– Breslau), Berlin und Reichenberg bzw. Zittau. Den wenigen Zügen der Görlitzer Kreisbahn ins 26,7 Kilometer entfernte Weißenberg kam allein lokale Bedeutung zu.

Ein Großteil der Schnell- und Eilzüge der Deutschen Reichsbahn fuhr weit ins Land hinaus. Das galt beispielsweise für die dreiklassigen D 125/126 München – Hof – Dresden – Görlitz – Breslau – Beuthen OS und zurück, D 121/122 Hof – Breslau bzw. umgekehrt, D 117/118 Kehl – Stuttgart – Nürnberg – Görlitz – Breslau und retour sowie für täglich bis zu fünf weitere Zugpaare zwischen der sächsischen und der schlesischen Hauptstadt.

Mehrere „Rot-Züge“ verkehrten zudem von Berlin über Görlitz bis Hirschberg und zurück, je ein Eilzugpaar über Trautenau nach Johannistal und Glatz, der E 231/232 zwischen Stettin und Freiheit über Sorau und Hirschberg sowie das D-Zug-Paar 193/194, das die Hauptstadt auf direktem Weg mit Bad Kudowa-Sackisch verband.

Hinzu kamen bedarfsgerechte Saisonverbindungen und nicht zuletzt Personenzüge im Nah- und Fernverkehr ab/bis Görlitz, d. h. Richtung Berlin, Hirschberg, Kohlfurt, Breslau, Dresden, Zittau und Reichenberg. Die im Sommerfahrplan 1939 mit dem Hinweis „verkehrt erst von einem noch bekanntzugebenden Tage an“ angekündigte Schnelltriebwagen-Verbindung FDt 458/459 Breslau – Dresden – Leipzig kam infolge Treibstoff-Verknappung und Kriegsausbruchs nicht mehr zur Ausführung.

Der propagandistischen Vorgabe „erst siegen, dann reisen“ entsprechend, reduzierte die Reichsbahn in den Kriegsjahren zwangsläufig das Angebot auf allen Strecken. Zwischen Dresden, Görlitz, Liegnitz und Breslau gab es nurmehr die regulären Schnellzüge D 125/126 von München nach Breslau und zurück, außerdem D 121 ab Hof, in der Gegenrichtung D 124 und D 126. Von Berlin nach Hirschberg und umgekehrt blieben nur ein D- und zwei Eilzug-Paare allgemein zugänglich.

Die übrigen schnellen Reiseverbindungen galten als „D-Zug mit Wehrmachtsteil“ (DmW) bzw. „Schnellzug für Fronturlauber mit einigen Wagen für den öffentlichen Verkehr“ (SFR). Die Hauptlast der zivilen Fahrten entfiel fortan auf Personenzüge, auch auf den Strecken Görlitz – Zittau bzw. Reichenberg. Und immer häufiger begegnete man in den Fahrplanspalten einem liegenden Kreuz auf schwarzem Grund im Oval mit der Bedeutung „Verkehrt nur auf besondere Anordnung“.

Der Reichsbahn gelang es im Frühjahr 1945, Lokomotiven aus schlesischen Bahnbetriebswerken vor den heranrückenden sowjetischen Kampftruppen in Richtung Westen abzufahren. Auf verschiedenen Wegen gelangten auch Triebwagen der Baureihen ET 87, ET 88 und ET 89 ins süddeutsche Netz, wo sie noch auf Jahre hinaus im Plandienst Verwendung fanden. Verloren gegangen ist hingegen Rollmaterial, das sich zur Reparatur im RAW Lauban befand, namentlich Triebzüge der Berliner S-Bahn.

Teilung der Bahn und der Stadt
Nur einen Tag vor Eintritt des Waffenstillstands, am 7. Mai 1945, vollzog ein Sonderkommando der Wehrmacht den irrsinnigen Befehl Hitlers, sämtliche Brücken und Flussübergänge zu sprengen, um das Vordringen der kämpfenden feindlichen Truppen zu verhindern.

Zwei Mittelbögen des Neiße-Viadukts stürzten dabei in die Tiefe; der durchgehende Schienenverkehr war nun nicht mehr möglich. Görlitz und die auf dem rechten Flussufer gelegene Abzweigstation im Stadtteil Moys wurden zu Kopfbahnhöfen gegenüber Schlesien.

Und die Anfang August 1945 in Potsdam zwischen den Alliierten getroffene Vereinbarung, die deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße unter polnische (bzw. sowjetische) Verwaltung zu stellen, brachte auch der Stadt und ihrem Umland die Teilung. Es sollte noch elf Jahre dauern, bis der Wiederaufbau des imposanten Brückenbauwerks über die Neiße als nunmehr internationale Schienenverbindung zum Abschluss gebracht werden konnte.

Die einst zentrale Bedeutung im Netz mit bis zu 44 Zugpaaren pro Tag in Spitzenzeiten war jedoch endgültig verloren. Ab 1957 gab es nurmehr wenige Reisezüge im Fernverkehr, dazu zeitweise Leerwagen-Bewegungen mit ehemaligen DR-38ern, 50ern und 52ern. Der planmäßige Güterverkehr wurde fortan – und wird noch heute – über Horka und Wegliniec (Kohlfurt) abgewickelt.

Lockerungen in den 1970ern

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