Im Porträt: Siemens-ER 20

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Die Antriebsanlage befindet sich im dreigeteilten Maschinenraum und besteht aus einem schnell laufenden 16-Zylinder-Viertakt-Dieselmotor von MTU (2.000 kW Leistung bei 600 – 1.800 U/min) mit Common-Rail-Direkteinspritzung und Abgasturbolader, dem elektrischen Anlasser mit eigener 24-V-Starterbatterie, dem Motor- und Abgasschalldämpfer in einem eigens abgeschotteten Raum, dem angeflanschten Drehstrom-Synchrongenerator mit bürstenloser Fremderregung und 1.920 kW Leistung und dem hydrostatischem Regelantrieb für den Kühlturm-Lüfterrotor.

Die vier Käfiganker-Drehstrom-Asynchronmotoren sind in den Drehgestellen gelagert. Zur Drehstromausstattung gehören wassergekühlte GTO-Pulswechselrichter und der ungesteuerte Traktionsgleichrichter mit einem Gleichspannungs-Zwischenkreis von 800 bis 2.400 V im Fahrbetrieb bzw. 2.600 V im Bremsbetrieb. Die Ansteuerung der Traktionseinrichtung erfolgt in variabler Spannung und Frequenz.

Als Antrieb wurde ein halbabgefederter Ritzelhohlwellenantrieb mit Lamellenkupplung verwendet. Die elektrische Leistungsübertragung, basierend auf der SIBAS-32-Leittechnik, erlaubt eine optimale Zuordnung von Leistung und Drehzahl mit positiven Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch.

Sicherungstechnik und Bremsen
Die Loks wurden mit Sifa, Indusi I60R, PZB 90, Zugbahnfunk und einem GPS-Ortungs- und Erinnerungssystem ausgestattet. Die Bremseinrichtung besteht aus einer elektrischen Widerstandsbremse mit Rekuperation in den Zwischenkreis (teilweise Zuführung für die Hilfsbetriebe und Zugheizung, Leistung 1.000 kW), einer Radscheibenbremse, einer indirekten Druckluftbremse mit Vorsteuerung, einer direkten Bremse sowie einer Federspeicher-Festhaltebremse.

Einsatzgebiete
Am 10. Januar 2002 wurde die erste Lok dieser Produktplattform bei Siemens Transportation Systems (vormals Krauss-Maffei) in München-Allach vorgestellt. Ab diesem Zeitpunkt wurden monatlich drei Loks an die ÖBB abgeliefert, die diese zunächst der Zfst. Wiener Neustadt zuwiesen. Weitere Dienststellen wurden auch Villach, Graz und Wels. Die letzte Lok wurde 2005 in Betrieb gestellt.

Die neuen und ungemein leisen „Flüsterloks“ übernahmen dann sukzessive die Leistungen ihrer Vorgängertypen. Die erste hochwertige Leistung war das Führen des „Thermenland-Express“ zwischen Wiener Neustadt und Graz Hbf. Das Vorhandensein einer Tandemsteuerung ließ die Maschinen rasch auch im schweren Güterverkehr auf Nebenbahnen Fuß fassen.

Die Wendezugsteuerung verhalf ihnen vor „City-Shuttle-Zügen“ abseits der elektrifizierten Strecken zu neuen Einsätzen. Gelegentlich sind die 2016 auch gemeinsam mit Elloks der Reihen 1016, 1116 oder 1216 im Betrieb zu sehen. Jedenfalls hat die Indienststellung der Reihe 2016 sehr rasch zum Rückzug der bei den Eisenbahnfreunden beliebten 43er oder 2050 geführt. Aber so ist das ja immer, wenn man vom Alten Abschied nimmt …

Als neuste Dienststelle ist seit dem Frühjahr 2012 auch Innsbruck zu nennen. Die Innsbrucker 2016 waren am Brenner – gemeinsam mit privaten Loks – für die Umbauarbeiten in Verwendung.

Als schnelle Streckendiesellokomotive findet die Reihe 2016 gerne auch Verwendung vor österreichweiten Messzugeinsätzen, sodass diese Loks u. a. auch in Westösterreich bzw. in den Grenzbahnhöfen zur Schweiz, Deutschland (Lindau, Pfronten-Steinach, Mittenwald) und Italien (Brenner, San Candido) zu sehen sind.

Erster Exporterfolg
Siemens konnte kurz nach der Auftragserteilung durch die ÖBB einen ersten Exporterfolg verbuchen, indem aus Hongkong eine Bestellung von fünf Loks einging, die dort von der MTRCL als 8001 bis 8005 geführt werden. Mit der Modernisierung der neuen Fahrzeugflotte der ÖBB wurde gleichzeitig die Idee zur Schaffung eines Lokpools geboren.

Die seinerzeitige Überlegung der ÖBB wurde zwar nie richtig verwirklicht, doch nahm sich der Siemens-Konzern selbst dieser Idee an und gründete daraufhin einen eigenen Lokpool, der als Siemens Dispolok GmbH (heute MRCE) firmiert.

Siemens Dispolok nahm einige Loks als ER20 in Betrieb und vermietete sie an interessierte Unternehmen weiter, womit dieses Geschäftsmodell wesentlich zum Erfolg des EuroRunners beitrug. Aus diesem Baulos wurde dann eine Maschine an die Logistik- & Transport-GmbH (LTE) als 2016.903 verkauft.

Die Betriebsnummern 2016.901 und 902 sind bei der Steiermärkischen Landesbahn, wobei die 2016.901 aus der ÖBB-Serienproduktion entnommen wurde. Es folgten dann Maschinen für die PRESS, Siemens Dispolok, EVB und RTS, aber auch an die OHE und an Alpha Trains wurden ER20 geliefert.

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