Der Interregio - 1988 fuhr der erste Zug

Interregio - der "neue" D-Zug

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Man hatte für den IR den Grundton Blau gewählt, nicht das dunkle der alten 1.-Klasse-Wagen, auch nicht das Türkis der siebziger Jahre, sondern ein warmes, helleres Blau: Fensterband „fernblau“ (RAL 5023), darunter ein pastellblauer Streifen (26 cm, RAL 5024). Die Unterseiten der Wagenwände wie auch ein Streifen des Daches wurden dagegen „lichtgrau“ (RAL 7053), der Rest des Daches grau (RAL 7040) lackiert.
Karl-Dieter Bodack, der an der Entwicklung des IR maßgeblich mitwirkte, schreibt zu den Farbtemperamenten der DB-Zuggattungen: Tatsächlich fand ich die Zuordnung zu Goethes „vier Temperamenten“ erst später, als ... ein Kunde schrieb, wie er ... die vier „Temperamente der Bahn“ erlebt:
– den roten IC als „Choleriker“;
– den blauen IR als „Melancholiker“;
– die türkisfarbene Regionalbahn als „Phlegmatiker“;
– die orangefarbigen S-Bahn-Züge als „Sanguiniker“.
Auch innen plante man Neues: Anstelle der bisherigen, strengen Aufteilung in Abteil- und Großraumwagen sollte eine flexiblere Inneneinrichtung treten. Die Wagen erhielten an den Enden fünf Abteile mit nur noch fünf Sitzen, in der Wagenmitte entstanden drei Großraumabteile für zehn bzw. 15 Reisende, so dass der 2. Klasse Sitzwagen 60 Sitzplätze anbot (gegenüber 72 im Bm 234, 235). Hinzu kamen acht Kleinsitze, die wahlweise als Gepäckablage oder für kleinere Kinder genutzt werden konnten. In den Großraumabteilen gab es noch Klappsitze am Seitengang, so dass das Platzangebot nicht viel kleiner war als vorher, alles in allem jedoch großzügiger und geräumiger wirkte. Das und noch ein weiteres Charakteristikum zeichnete die Wagen aus: Sie waren innen sehr hell gestaltet. Hellgraue, sandgelbe und mintgrüne Töne dominierten in der 2., himbeerrosa und dunkelblau in der 1. Klasse (insgesamt 50 Plätze in analoger Aufteilung). Der großzügige Einsatz von Glas rundete das neue Reiseerleben ab.
Jeder Zug erhielt ein so genanntes „Bistro-Cafe“, das zur einen Hälfte Abteile der 1. Klasse, zur anderen einen mit halbkreisförmigen Sitzinseln versehenen Speiseraum aufnahm. Auf eine Klimatisierung der Wagen wurde – abgesehen vom Bistro-Cafe – verzichtet, allerdings reduzierte man die Zahl der Übersetzfenster erheblich und verbesserte die Heizanlage.
Die Tabelle unten zeigt den Überblick über die insgesamt 1.349 umgebauten IR-Wagen. Gegen Ende der IR-Zeit kamen noch Steuer- sowie Wagen mit Fahrrad-Abteilen hinzu, die heute überwiegend, bzw. zum Teil in IC-Zügen laufen.
Ab 1991 wurden auch in Halberstadt frühere DR-Wagen zu IR-Wagen umgebaut. Bis 1992 kamen aus Weiden über 1.000 und aus Halberstadt (später noch Bautzen) weitere 300 Wagen. Standardmäßig bestand ein InterRegio aus je einem Wagen 1. Klasse, dem Bistro-Cafe und sechs 2. Klasse Wagen.

Acht Jahre Wachstum ...

Mit der Grenzöffnung 1989 und der Wiedervereinigung 1990 ergaben sich gänzlich neue Perspektiven. Schon Anfang 1990 fuhren die ersten IR über die damals noch innerdeutsche Grenze. „Ludmillas“ übernahmen in Helmstedt IR nach Magdeburg – Berlin und Leipzig.
1996 erreichte das IR-Netz seine größte Ausdehnung, aber zugleich begann auch der Niedergang. Auf zu vielen Linien verkehrten nur einzelne Züge, erreichte der InterRegio zeitweise die Rentabilitätsschwelle. Trotz einer Auslastung von durchschnittlich knapp 50 Prozent konnte der IR sich selbst knapp finanzieren.
Die längsten Zugläufe führten von Stralsund nach Konstanz am Bodensee – rund 1.000 Kilometer Laufweg bei 13 Stunden Reisezeit. 43 Zwischenbahnhöfe bediente dabei der IR 2479 „Lüneburger Heide“. Für Urlaubsreisende war dies ein idealer Zug. Zugleich wurde der IR auch mehr und mehr für Berufspendler attraktiv: Der Wegfall der Zuschlagpflicht und die Öffnung des Zuges für Zeitkartenbesitzer in einigen Verkehrsverbünden generierten mehr Fahrgäste, aber wenig Umsatz.
Zu dieser Zeit war der IR ein internationaler Zug. Nicht nur nach Amsterdam, sondern auch nach Dänemark (Kopenhagen), Österreich, und Polen fuhren InterRegios (in Polen als „Intereggio“ bezeichnet).

... und zehn Jahre Siechtum

Mit der Bahnreform 1994 wurde aus der DB ein formal privates Unternehmen, das die Quadratur des Kreises – Erfüllung eines öffentlichen Transportauftrags und zugleich Rentabilität – erfüllen sollte, was bis heute – allen schönen Bilanzen zum Trotz – nicht gelungen ist.
Der IR als Zwischending zwischen Regional und Fernzug passte bald nicht mehr ins Konzept einer Bahn, die nur noch lukrative (und teure) ICE/IC-Züge anbieten wollte. Der Amtsantritt Hartmut Mehdorns als Bahnchef bedeutete 1999 endgültig den Anfang vom Ende für den IR.

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