Königstein statt Loreley!

Wer hier einmal war, kommt immer wieder: Diese Eisenbahnlinie ist eine der schönsten in Deutschland. Immer schon fuhren hier internationale Züge, und auch heute ist der Betrieb ausgesprochen abwechslungsreich. Von André Marks

 
Oktober 2010, Blick von der Festung Königstein auf den gleichnamigen Ort im Tal. Ein S-Bahnzug fährt nach Bad Schandau und auf der Elbe strebt ein Frachtschiff in Richtung TschechienRudolf Heym © Rudolf Heym

Mehr als 200 Meter über der Elbe thront die mächtige Festung Königstein – und so wie es dieses majestätische Bauwerk durchaus mit dem Ehrenbreitstein in Koblenz aufnehmen kann, so steht auch die Eisenbahnlinie von Dresden durch die Sächsische Schweiz hinüber nach Böhmen in ihrer Schönheit den Strecken entlang des Rheinufers in nichts nach. Nur ist alles in allem „drei Nummern kleiner“. Zudem blickt die Strecke auf eine längere Geschichte zurück als die Schienenverbindungen zwischen Mainz/Wiesba-den und Koblenz, denn das Königreich Sachsen und das seit 1526 in Personalunion vom Hause Habsburg geführte Königreich Böhmen waren sich nach anfänglicher Ablehnung über die Vorteile eines modernen Zugverkehrs zwischen Dresden und Prag vergleichsweise schnell einig. Ein Porträt über die Strecke Dresden – Decin (Bodenbach) mit so klangvollen Stationsnamen wie Obervogelgesang, Kurort Rathen und Bad Schandau, neben denen sich Sandsteinfelsen zur Bastei oder zum Massiv des markanten Plateauberges Lilienstein erheben, hat es im LOK MAGAZIN noch nicht gegeben. Premiere also, und auch höchste Zeit!

Höher als das stärkste Hochwasser
Der vermutlich erste Gedanke einer Eisenbahnverbindung zwischen Dresden und Prag stammt von keinem geringeren als dem 1789 in Reutlingen geborenen Friedrich List (gest. 1846). Eine solche Linie war bereits Bestandteil seines Entwurfes für ein deutsches Eisenbahnnetz von 1833. Die im Jahr darauf gegründete Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Kompagnie (LDE) erhielt 1835 von der Sächsischen Staatsregierung per Dekret auch die Konzession zum Bau und Betrieb einer von Dresden durch das Elbtal nach Böhmen führenden Eisenbahn.
Letztendlich nutzte jedoch weder die LDE diese Option noch erhielt die private Sächsisch-Schlesische Eisenbahngesellschaft, die an dem Projekt ebenfalls Interesse angemeldet hatte, den Zuschlag. Vielmehr begann der Streckenbau von Dresden über Heidenau in Richtung Sächsische Schweiz im Herbst 1845 unter Leitung – und auf Kosten – des Landes. Am 1. August 1848 nahm die „Königliche Direktion der Sächsisch-Böhmischen Staatseisenbahn“ den Betrieb auf dem knapp 17,5 Kilometer langen zweigleisigen Abschnitt nach Pirna feierlich auf.
In den folgenden Monaten hatten die am Bahnbau beteiligten Ingenieure ihr ganzes Können zu zeigen: Bei Obervogelgesang galt es, die zwei Gleise über viele Hundert Meter an einem nachrutschenden Hang zu trassieren. Nachdem eine erste Stützmauer unter dem Druck des Berges eingestützt war, entstand die bis heute erhaltene. Im Volksmund trägt sie den Namen „Millionenmauer“, wenngleich ihre Baukosten damals jene Höhe natürlich nicht erreicht haben. Im Gegenteil – es gibt Berichte, wonach die am Bahnbau tätigen Arbeiter alles andere als fürstlich entlohnt worden sind. Einen recht interessanten Abschnitt der Stützmauer kann man übrigens ganz bequem vom Bahnsteig des 1870 eröffneten Haltepunktes Obervogelgesang studieren.
Technisch nicht minder aufwändig und damit vor allem ebenfalls kostspielig war die Trassierung der Eisenbahn im Stadtgebiet von Königstein. Da das Gleis gemäß Bauvorgabe einen halben Meter über dem höchsten bis dahin gemessenen Wasserstand der Elbe – dem von 1845 – liegen sollte, entstand hier ein 1.600 Meter langes Viadukt mit vielen Dutzend Bögen, die heute jedoch überwiegend ausgemauert und verfüllt sind. 1849/50 erschien ein solcher Kunstbau auch deshalb notwendig, damit sich das in Königstein in die Elbe mündende Flüsschen Biela bei Hochwasser nicht zu weit im Ort anstauen kann. Diese Vorausschau gereichte der Elbtalbahn bei dem Jahrhunderthochwasser im August 2002 sehr zum Vorteil, wenngleich das fast bis zum Schotterbett stehende Wasser dennoch beträchtliche Schäden anrichtete. Doch zurück in die Geschichte …

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