Königstein statt Loreley!

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Nachdem alle baulichen Schwierigkeiten gemeistert waren, erweiterte die Direktion der Sächsisch-Böhmischen Staatseisenbahn am 9. Mai 1850 den öffentlichen Zugverkehr von Pirna über die Stationen Pötzscha (seit 1939 Stadt Wehlen) und Rathen (seit 1934 Kurort Rathen) bis Königstein und einen Monat später – am 9. Juni – bis Krippen. Diese kurzzeitige Endstation diente in den folgenden 25 Jahren auch als Bahnhof für Schandau (seit 1920 mit dem Zusatz Bad geschrieben). Das erklärt die vergleichsweise imposanten Ausmaße des Empfangsgebäudes von Krippen, welches bis heute erhalten geblieben ist. Von der einst vorhandenen Drehscheibe und dem Güterschuppen findet man hingegen keinerlei Spuren mehr, denn als 1875 nicht einmal zwei Kilometer flussabwärts entfernt der Bau des neuen Schandauer Bahnhofes begann, wurden sie in Krippen demontiert und an neuer Stelle bis 1877 wieder aufgebaut.
Die nächste heutige Station von Krippen in Richtung Tschechische Republik trägt seit 1932 den Namen Schmilka-Hirschmühle. Diesen Haltepunkt hat die 1869 gegründete Generaldirektion der Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen (K.Sächs.Sts.E.B.) jedoch erst 1905 für die zahlreichen Ausflügler in die hintere Sächsische Schweiz sowie für die Bewohner aus Reinhardtsdorf und Schöna nachträglich einrichten lassen.
Beim Bau der Eisenbahn ins nordböhmische Bodenbach (1942 mit Tetschen vereinigt, seit 1947 Decin) entstand Mitte des 19. Jahrhunderts als nächstes die Station Schöna. Auf der anderen Seite der Elbe, in deren Mitte in diesem Bereich auf etwa einem Kilometer Länge die Landesgrenze zwischen Sachsen und Böhmen verläuft, liegt die einst fast vollständig deutsch besiedelte Ortschaft Herrnskretschen. Per Fährverbindung ist das heutige Hrensko von Schöna aus bequem zu erreichen, war – und ist – der Ort doch ein äußerst beliebter Ausflugspunkt für Wanderungen in die Böhmische Schweiz mit dem faszinierenden Prebischtor sowie der Edmundsklamm. Aus diesem Grund trug die Station von 1921 bis April 1946 den Namen „Schöna-Herrnskretschen“.
Wenige Meter vor der Landesgrenze erinnert die Gelobtbachmühle in Fahrtrichtung rechts der Gleise an die Existenz der Ladestelle Schöna. Dort konnten von 1892 bis 1977 frisch geschnittene Bretter und Balken unmittelbar auf Güterwagen verladen werden, um anschließend die Reise zu
einer der zahlreichen Baustellen in Sachsen anzutreten. Bis zum 1898 fertiggestellten Dresdener Hauptbahnhof waren dabei exakt 50 Kilometer zurückzulegen. Die Landesgrenze zwischen Böhmen und Sachsen verläuft nur wenige Meter davon entfernt exakt auf der Mitte einer kleinen Brücke über den Gelobtbach am Kilometer 11,859 der Linie Bodenbach – Dresden. Auf den letzten knapp zwölf Kilometern bis Bodenbach/Decin befinden sich die beiden Stationen Niedergrund (Elbe) und Mittelgrund, von den Tschechen schrittweise übersetzt zu Dolni Zleb bzw. Prostredni Zleb.
Um den Bahnhof Bodenbach zu erreichen, war 1850/51 sogar noch der Bau von einem 143 Meter und einem zweiten, 276 Meter langen Tunnel notwendig. Am 6. April 1851 war es dann soweit: Der erste öffentliche Zug der Sächsisch-Böhmischen Staatseisenbahn aus Dresden erreichte seinen Endpunkt. Die k.k. nördliche Staatsbahn nahm zwei Tage danach den Betrieb zwischen Prag und Bodenbach auf, so dass seit 8. April 1851 ein durchgehender Verkehr zwischen Dresden und Prag und von diesen Städten weiter in andere Orte innerhalb des Deutschen Bundes möglich war. Während dies für Reisende anfangs mit Umsteigen verbunden war, konnten die ersten Güterwagen bereits weiter in beide Länder pendeln.
Einschließlich des auf österreichischem Territorium an Sachsen verpachteten Abschnittes erreichte die Sächsisch-Böhmische Staatseisenbahn eine Länge von 66 Kilometer, wobei die Kilometrierung in Bodenbach/Decin beginnt. Aus diesem Grund führten die K. Sächs. Sts. E. B. die Elbtalstrecke später bahnamtlich als BD-Linie – eine Abkürzung, die noch heute sowohl von den Eisenbahnern vor Ort als auch im zuständigen ESTW Leipzig gern verwendet wird.
Vom Aufwand beim Bau der Strecke zeugt auch die Zahl der errichteten Kunstbauten – immerhin waren nach Definition von 1850 sieben Viadukte und 164 Brücken entstanden. Dazu kamen Durchlässe, Übergänge sowie die beiden Tunnel und teils sehr aufwändige Stützmauern.

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