Loks für die USA: Genesis

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Für die Konstruktion mussten die gegenüber Europa höheren Festigkeitsanforderungen an die Kastenstruktur zu Grunde gelegt werden, die z. B. eine Bemessung für eine an der Kupplungsebene aufgebrachte Längsdruckkraft von 3.660 kN fordert, während in Europa nach UIC-Richtlinien die Struktur für 2.000 kN auszulegen ist. Auch zum Schutz des Führerhauses – welches durch Zusammenstöße mit schweren Lastwagen auf den vielen unbeschrankten Bahnübergängen besonders gefährdet ist – war die Frontstruktur für die Aufnahme deutlich höherer Kräfte zu konstruieren.

Um diesen hohen Festigkeitsanforderungen zu genügen – hierzu gehörte auch die Aufgabe, die 31,5 Tonnen schwere Motor-/Generatorgruppe an nur vier Auflagepunkten im Untergestell abzustützen – wurden die Untergestelllängsträger als Hohlkastenträger ausgeführt, die gleichzeitig als Brennstofftanks dienen, wodurch das Gewicht separater Tanks eingespart werden konnte. Die Aufbauten waren als Teil der tragenden Struktur mit dem Untergestell verschweißt. 

Die Drehgestelle wichen ebenfalls stark von der US-Technik ab und folgten im Prinzip den in Deutschland üblichen Bauformen für schnell fahrende Lokomotiven, wobei aber auch hier die amerikanischen Besonderheiten berücksichtigt werden mussten. Dies waren vor allem die hohe Achslast von 30,4 Tonnen sowie die teilweise schlechte Gleislage, die zur Vermeidung unzulässiger Radlastunterschiede eine verwindungsweiche Konstruktion der Drehgestellrahmen und eine weichere Abfederung in der Primärfederstufe (Achsfeder) bedingte. Als Verbindung zwischen Lokkasten und Drehgestell kam ein Drehzapfen zur Anwendung, der ähnlich wie bei DB-Baureihen 111, 120 und 181.2 mit dem Drehgestell über einen Lemniskatenlenker verbunden ist.

Die Traktionsleistung des Viertakt-Dieselmotors 7FDL16 beträgt für das von GE mit P40DC bezeichnete Basimodell 4.000 HP bei 1.050 U/min. Bei Leistungseinspeisung in die Zugsammelschiene (480 V, 60 Hz) wird die Motordrehzahl auf 900 U/min reduziert, wobei bis 800 kW abgegeben werden können und sich dabei eine Traktionsleistung von 2.928 HP ergibt. Bis auf die Lüfter der Bremswiderstände werden alle Hilfsmaschinen durch Drehstrommotoren angetrieben. Bei Unterwegshalten kann bei abgeschaltetem Dieselmotor der Leistungsbedarf der Klimaanlage aus der Batterie gedeckt werden, die es auch ermöglicht, die Lok im Werkstattbereich mit eigener Kraft zu bewegen. 1997 wurde die höchste Traktionsleistung auf 4.250 HP angehoben (Modell P42DC), bei gleichzeitiger Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf 177 km/h. Bei der Zweikraftlok P32AC-DM kam der kleinere 7FDL12-Motor zur Anwendung, der eine Traktionsleistung von 3.250 HP aufweist.       

Das Führerhaus weist eine deutlich bessere Wärme- und Geräuschisolierung auf als bis dahin üblich. Völlig neuartig war für amerikanische Verhältnisse die Führertischanordnung. Hinter den beiden Sitzen für den Lokführer und seinen Assistenten wurde noch ein dritter Sitz für einen Begleiter vorgesehen. Für Rangierfahrten befindet sich im Heck der Maschine ein Hilfsführerstand.
Die sonst in der Nase vor dem Führerhaus angeordnete Toilette war in den Maschinenraum verlegt worden.

Die neue Diesellokgeneration erhielt weiter entwickelte Mikrokoprozessor-, Diagnose- und Steuerungssysteme, die bei Teilstörungen das Abschalten der kompletten Antriebsanlage vermeiden und so in den meisten Fällen einen Weiterbetrieb mit verringerter Leistung ermöglichen. Gegenüber ihrer Vorgängerin F40PH wurde eine Brennstoffersparnis von 22 Prozent festgestellt und bei der häufig notwendigen Mehrfachbespannung können zwei P40DC bzw. P42DC drei EMD F40PH ersetzen. Mit ihrer geringen Höhe von 4.470 mm (360 mm niedriger als F40PH) ist der Einsatz der Genesis-Typen auf allen von Amtrak befahrenen Strecken möglich. Amtrak beschaffte 45 P40DC, 207 P42DC und 18 P32AC-DM, Via Rail Canada 21 P42DC und Metro North 31 P32AC-DM, so dass bis 2001 insgesamt 322 Einheiten (nach anderer Quelle 332) geliefert wurden.

Hiervon wurden die ersten elf Lokkästen im Essener Werk von Krupp Verkehrstechnik gebaut, während sämtliche Drehgestelle, mit Ausnahme der Radsätze und Fahrmotoren, aus dem Kieler Werk (vormals MaK, heute Vossloh) stammen. Die Endmontage aller Genesis-Modelle erfolgte im GE-Werk in Erie/USA. Von Amtrak wurden inzwischen einige Loks an andere Bahnen verkauft oder verliehen.     

Von Manfred Lohmann

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 08/10

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