Mit 100 Jahre alten Elloks

Im steiermärkisch-niederösterreichischen Grenzgebiet liegt der Wallfahrtsort Mariazell. Seine Basilika ist ein Anziehungspunkt für viele Katholiken, doch beschwerlich war das Aufsuchen dieses weitab gelegenen Ortes. Von Markus Inderst
 
Im alten Bahnhof St. Pölten: 1099.04 mit dem Zug OG 16 am 21. August 1954	Alfred Luft © Alfred Luft

Mit dem Bau der West- und der Südbahn entstanden schon relativ früh Überlegungen, auch das Alpenvorland mit einer Eisenbahn zu erschließen. Verschiedene Entwürfe, sowohl in Normal- als auch in Schmalspur, wurden zwar auf dem Papier ausgeführt, doch erst mit dem Bau der Steyrtalbahn im Jahre 1889 kam Bewegung in die Errichtung der Mariazellerbahn. Es zeigte sich, dass eine Bahn mit 760 Millimeter Spurweite sehr günstig zu realisieren war.
Gleichzeitig wurden in der Steiermark Studien zum Bau einer Bahn von Kapfenberg via Au-Seewiesen nach Mariazell angestrebt. Doch mit dem Konzessionsansuchen zum Bau einer schmalspurigen Bahn von St. Pölten nach Kirchberg an der Pielach wurde der Grundstein für die am Ende insgesamt 92 Kilometer langen Strecke St. Pölten – Gußwerk gelegt. Als die Pielachtalbahn im Abschnitt St. Pölten – Kirchberg an der Pielach vor der Fertigstellung stand, wurde die Idee zum Weiterbau der Bahn einerseits nach Mariazell und andererseits über die „Krumpe“ zur Ybbstalbahn geboren.
Die zweite Etappe der so genannten Talstrecke wurde am 26. Juli 1894 fertiggestellt, gefolgt von der Abzweigung Ober Grafendorf – Kilb – Mank (Teilstück der „Krumpe“) am 30. Oktober 1895. Die Bergstrecke wurde als dritte Etappe realisiert und ist wohl der interessanteste Teil dieser Alpenbahn. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme erfolgte am 1. Mai 1907. Zweimal verworfen wurde ein seit 1906 vorliegendes Projekt zur Errichtung eines Landes-Elektrizitätswerkes, welches auch die Bahnstromversorgung beinhaltete.
Die Schmalspurbahn erlebte nach der Betriebsaufnahme nach Mariazell explosionsartige Fahrgastzuwächse, welche einen Betrieb unter den bis dahin geltenden Regeln nicht mehr rechtfertigte. Die Betriebsmittel waren an ihre Leistungsgrenzen gestoßen. Die Elektrifizierung und damit der Aufbau einer Bahnstromversorgung gewannen oberste Priorität.
In Wienerbruck entstand ein Elektrizitätswerk, welches Drehstrom von 25 Hertz liefern konnte. Zur Gewinnung des Stromes wurde die Wasserkraft des Erlauf-Stausees genutzt. Die Region rund um St. Pölten konnte nun mit Drehstrom von 5.000 V bei 25 Hz versorgt werden. 1908 wurde der Liefervertrag zwischen dem Landesversorger und der Schmalspurbahn geschlossen. Für die Erhaltung der Fahrleitungsanlagen ist – damals wie heute – noch die Erzeugerfirma verantwortlich.
Nun folgte die Elektrifizierung der 92 Kilometer langen Strecke bis Gußwerk sowie die Beschaffung von 16 sechsachsigen Drehgestellloks. Diese Maschinen bewältigen seit gut 100 Jahren das enorme Aufkommen sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr, der allerdings bis Ende 1998 eingestellt wurde.

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