Nobel und schnell: F-Zug „Blauer Enzian“

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Die beiden von der Bundesbahn als 11 701 und 11 700 eingeordneten „Sonderlinge“ fuhren, ebenso wie die Original-Wegmann-Garnitur, zwischen Isar und Elbe und existieren als historische Fahrzeuge noch heute. Das Interieur des letzteren bestand nach dem Umbau aus drei Großabteilen mit je zwei Fenstern, sechs fest installierten ausziehbaren Sitzen und einem beweglichen Sessel, dazu einem herkömmlichen Abteil mit sechs Plätzen, und dem vergrößerten Aussichtsraum, der außer einer Eckbank acht bequeme Sessel und drei kleine runde Tische aufwies. Im längeren, stets benachbart laufenden vormaligen Pressewagen von 1937 fanden sich bei nurmehr 45,9 Tonnen Eigengewicht am Seitengang vier Großabteile, zwei 2.100 mm lange sechssitzige Standardabteile sowie drei Plätze in einem Zwischenraum, der zeitweise auch als Zugsekretariat diente.

Ende der Sonderstellung
Mit Beendigung des Einsatzes als FD 55/56, der wie andere Züge ab Mai 1956 nurmehr die neue 1. Klasse führte, endete zugleich die Alleinstellung des „Blauen Enzian“. Seine Zugbildung erfolgte nun aus neu gelieferten 26.400 mm langen Einheitswagen 1. Klasse. Mit dem Fortschreiten der Elektrifizierung wurde er immer häufiger von modernen Enheitslokomotiven der Bundesbahn-Baureihe E 10 geführt.

Verbleib der blauen Wagen
Während die klimatisierte, von der DB bereits mit Leuchtstoffröhren ausgestattete Wegmann-Leichtbau-Garnitur nach mehrjähriger Abstellung im März 1962 durch das AW München-Neuaubing offiziell ausgemustert und später verschrottet wurde, begegnete dem aufmerksamen Betrachter der Kanzelwagen 11 700 zunächst noch als Sondereinsatz-Fahrzeug der BD Stuttgart.
Der Freundeskreis Eisenbahn Köln nutzte das ab 1965 als Gesellschaftswagen geführte auffällige Unikat mehrfach, u. a. am 21. April 1973 für einen spektakulären, aus acht z. T. unterschiedlich gestalteten Schürzenwagen gebildeten Sonderzug „Eisenbahnfreunde auf Staatsbesuch“ hinter Dampflokomotiven der Baureihe 23 nach Luxemburg.

Gleiches galt für die historische „Rheingold“-Rundreise durch die damalige DDR Anfang Juni 1982 mit den Stationen Eisenach, Leipzig, Dresden, Berlin und Potsdam. Der Wagen fuhr hier allerdings im seinerzeit aktuellen Bundesbahn-Farbschema Ozeanblau-Beige am Zugende mit. Auf Minden-Deutz-Drehgestellen und unter der Bezeichnung WGüge365 51 80 89-43 500-3 laufend, trägt er mittlerweile wieder seinen blauen Außenanstrich.

Gleichermaßen mit Minden-Deutz-Drehgestellen und Knorr-Einheitsbremse ausgerüstet, gehört auch der einstige Pressewagen zum betriebsfähigen DB-Museumswagenpark. Als Aüe309 51 80 17-43 050-8 diente er nach seiner Ablösung zunächst noch als Einsatzreserve vom Standort Düsseldorf aus dem DB-Regelverkehr, wechselte in seinem grünen Äußeren für längere Zeit in die Betreuung durch den Verein Historische Eisenbahn Frankfurt (Main), ehe er (wieder) zur DB gelangte. Dort führt man ihn, gemeinsam mit anderen blau lackierten Vorkriegswagen, in Erinnerung an den außergewöhnlichen Reisezug der 1950er-Jahre, werbewirksam als „Blauer Enzian“ für Sonderfahrten.

Vom Fernschnellzug zum TEE
Die Zeit als „blauer F-Zug“ 55/56 endete mit einer Reisedauer von ziemlich genau neun Stunden pro Richtung am 29. Mai 1965. Im Rahmen der Anpassung des Spitzennetzes der Deutschen Bundesbahn an europäische Kriterien erhielt zum Sommerfahrplan 1965 auch der „Blaue Enzian“ den Qualitätsstatus als Trans Europ Express, obgleich es sich um einen innerdeutschen Lauf – zunächst noch mit konventioneller Wagengarnitur – handelte. Dabei vermerkte der Fahrplan einen Zeitgewinn von nicht weniger als 35 Minuten in der Süd-Nord-Richtung und sogar 41 Minuten von Hamburg-Altona nach München, bei zugleich günstigerer Lage am Tag.

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