Österreicher in München

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Konsequent schrieben dann im Dezember 1996 die ÖBB den Bau einer neuen Hochleistungslok EU-weit aus. Siemens hatte sich durch Übernahme von Krauss-Maffei von einem Ausrüster zu einem Komplettanbieter gemausert und erhielt 1997 als Generalunternehmer äußerst knapp den Zuschlag. Die nunmehrige Reihe 1016 (Firmenbezeichnung ES64U2) leitete sich von der DB-152 ab, die wiederum vom „Eurosprinter“ (Prototyp DB 127 001) abstammte. Das Konzept der Plattform hatte sich durchgesetzt, wodurch Siemens Krauss-Maffei schon 1999 in der Lage war, den „roll out“ der ersten Lok zu zelebrieren
Vor dem grenzüberschreitenden Planeinsatz erschien die Lok zu Schulungszwecken ab Mai 2000 auf süddeutschen Gleisen. Güterzugleistungen erbrachte sie schon im Herbst des selben Jahres bis München Süd, ebenso bespannte sie als Langläufer den „Orient Express“ von Wien kommend über München Ost bis Stuttgart.
Ziemlich bald nach der 1016 erschien die weitgehend baugleiche 1116 als Zweifrequenzlok. An ihrer Flanke prangte nicht mehr das inzwischen alte Emblem, sondern das Signet ÖBB. Inzwischen gibt es seit 2006 die Mehrsystemlok 1216 – in ihrer Technik ähnlich der 189 der DB. Übergangsweise waren auch drei Triebwagenzüge der Reihe 4011 (deutscher ICE-T der Baureihe 411) aus einem Joint Venture mit der DB anzutreffen.
Keine Überraschung bedeutete es für den Bahnfreund mehr, als mit dem Fahrplanwechsel Dezember 2008 der erste „railjet“ planmäßig Wien mit München verband. Trotz des Namens, der eigentlich einen Turbinenantrieb suggeriert, ist er ein mit Elektrolok bespannter komfortabler Wendezug vom Hersteller Siemens Mobility. Im Marketing hatten die ÖBB gute Vorarbeit geleistet. Aber musste nun alles auf Englisch lauten? Die Namen der Zugkompositionen wie „Spirit of Austria“, „Spirit of Germany“ etc. oder gar die Klassen mit „premium“, „first“ oder „economy“?
War die Zulassungspraxis bei Fahrzeugen mit konventioneller Elektrotechnik eigentlich technisch relativ einfach zu nennen, erschwerte die Tyristortechnik und der folgende Drehstromantrieb mit der empfindlichen Leistungselektronik eine gegenseitige Betriebserlaubnis erheblich. Landesspezifische Besonderheiten für die Schnittstellen zur Infrastruktur und Signalisation brachten zusätzlichen Aufwand. Zu nennen ist hier die nicht zu verniedlichende Problematik von Störströmen mit Rückwirkung auf Signaleinrichtungen. War dies aber wirklich der Grund der Ablehnung der Baureihe 152 durch die ÖBB?

Der Weg bleibt steinig
Wenn man nun meint, in dem zusammengewachsenen europäischen Bahnraum würden die langen und kostenintensiven Zulassungsverfahren der Vergangenheit angehören, dann täuscht man sich. Trotz Mehrsystemloks und dem in einer Zwischenphase befindlichen europäischen Zugsicherungssystem ETCS ist der Weg weiterhin steinig. Was im Straßen- und Luftverkehr Selbstverständlichkeit ist – internationale Vereinbarungen für die Schiene gibt es erst seit 2008. Immerhin rollen erfreulicherweise z. B. über die Spessart-Rampe – nicht nur für den Eisenbahnfreund – inzwischen auch Güterzugloks der SNCF (Gütersparte FRET), dem zweitgrößten Bahntransportanbieter der EU.
Zur Zeit herrschen also noch bilaterale Abkommen zum Thema „cross acceptance“ vor, so dass eine supranationale Zulassungsbehörde auf der EU-Ebene mit dem Anspruch, alle Mitgliedsstaaten in eine einheitliche Anerkennung von Zulassungen einzubinden, noch eine Vision bleibt. Rückblickend gesehen spielten die „Wechselstromländer“ Deutschland, Schweiz und Österreich durch ihr frühes zukunftsweisendes Abkommen eine positive Vorreiterrolle.   
Von Ulf Degener

Ein Artikel aus  LOK MAGAZIN 02/12.

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