Retter der Nebenbahnen

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Es mangelte am besseren Nachfolger
Zum anderen konnte sich die Bundesbahn – natürlich des lieben Geldes wegen – lange nicht wirklich entscheiden, für den Schienenbus ein adäquates Nachfolgefahrzeug in entsprechender Stückzahl zu beschaffen. Die wenigen gebauten Prototypen der Baureihen 627.0 und 628.0 (1974/75) bzw. 627.1 und 628.1 (1981/82) verdeutlichen die Unentschlossenheit seitens der DB. Erst ab 1987 kam die Serienlieferung der Baureihe 628.2 in Gang.
Stand bei der Entwicklung des 628.0 tatsächlich noch die Ablösung der Schienenbusse im Vordergrund, waren für die Beschaffung der Baureihe 628.2 andere Präferenzen ausschlaggebend. Sie sollten auf Länderebene unter anderem den Verkehr auf untergeordneten Hauptbahnen beschleunigen, wie etwa in Norddeutschland die Umsetzung des Konzepts der „Regionalschnellbahn Schleswig-Holstein“. Die Ablösung des Schienenbusses war in diesem Kontext allenfalls noch eine Randerscheinung.
Vor der Auftauchen des 628.2 erlebte der Schienenbus mitunter sogar noch eine kleine (regionale) Renaissance. Im Westerwald lösten sie mit Beginn des Winterfahrplans 1985/86 bzw. Sommerfahrplans 1986 auf den KBS 423 Koblenz – Siershahn – Montabaur – Limburg (Lahn) und KBS 424 Au (Sieg) – Altenkirchen – Erbach – Westerburg – Limburg (Lahn) die Limburger Akkutriebwagen der Baureihe 515 ab, die dort – zusammen mit den Akkutriebwagen der Baureihe 517 – vier Jahre zuvor die Schienenbusse verdrängt hatten.
Trotz aller Abstellungsbemühungen kamen einige Schienenbusse wegen der genannten Umstände sogar noch in den Genuss einer bescheidenen Modernisierung. Drei Fahrzeuge des Bw Hof erhielten eine attraktivere Innenausstattung mit Stoffpolstern, die versuchsweise auf der Strecke Hof – Selb Stadt zum Einsatz kamen – mit Erfolg, was die Bundesbahn zu weiter reichenden Überlegungen veranlasste.
Für die Strecke Prien – Aschau wurden eigens die Rosenheimer 798 652 und 653 mit dem Steuerwagen 998 896 für den Einmannbetrieb zu attraktiven Regionalbahn-Fahrzeugen umgebaut, im seinerzeit aktuellen Outfit türkis/kieselgrau und als Markenzeichen mit dem Schriftzug „Chiemgau-Bahn“. Die bescheidene Modernisierung der Fahrzeuge reichten allemal aus, um auf der Stichstrecke für eine spürbare Verkehrsbelebung zu sorgen. Dennoch wurde das Konzept nicht weiterverfolgt. Vielmehr wurden 1988 noch 47 Triebwagen sowie 23 Bei- und 43 Steuerwagen für den Einmannbetrieb mit pneumatischer Türschließeinrichtung versehen und in die Baureihe 796/996 umgezeichnet.
Noch konnte auf den Schienenbus nicht ganz verzichtet werden. Daher verfügten am 1. Januar 1990 noch elf Dienststellen über ihn: Augsburg, Flensburg, Gießen, Hamburg, Hof, Karlsruhe, Kassel, Mühldorf, Siegen, Trier und Tübingen. Mit 96 Exemplaren rettete er sich in die am 1. Januar 1994 beginnende Ära der Deutschen Bahn AG hinüber. Doch waren die Tage unaufhaltsam gezählt. Das Jahr 1995 bedeutete mit 57 abgestellten Motorwagen den Beinahe-Exitus.
Danach setzte den 796 lediglich noch der Betriebshof Tübingen ein, wo mit Stichtag vom 1. Juli 1997 weiterhin die 796 625, 702, 724, 739, 757 und 828 verfügbar waren. Die letzten Einsätze erfolgten zwischen Tübingen und Horb, bevor am 27. Februar 2000 das Ende der Schienenbusse bei der Deutschen Bahn gekommen war. Als die beiden letzten Motorwagen wurden 796 702 und 724 am 10. Mai 2000 ausgemustert.

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