Schönster Bahnhof Europas?

1888 wurde der neue Centralbahnhof in Frankfurt am Main eröffnet. Seine Grundkonzeption war derart gut gelungen, dass er – trotz mehrfacher Umbauten – auch heute allen Ansprüchen genügt

 
Aus Kassel ist die 41 225 an den Main gekommen. Nun steht sie mit dem D 73 nach Hamburg bereit, undwie immer hat Hans Schmidt alles exakt notiert: 8. Juli 1961, Gleis 13, 12.06 Uhr © Lok-Magazin
Die Königliche Eisenbahndirektion in Frankfurt am Main teilte 1888 dem Oberbürgermeister mit: „Eurer Hochwohlgeboren beeile ich mich ganz ergebenst mitzutheilen, daß nach eingetroffener Verfügung des Herrn Ministers der neue Hauptpersonenbahnhof am 18. August in Betrieb genommen werden soll.“

Die Einweihung des neuen Bahnhofs fand ohne Feierlichkeiten statt; morgens um 5.06 Uhr rollte der Schnellzug 306 von Hamburg als erster in die gewaltige Halle ein, in den schönsten und größten Bahnhof Europas.

Drei Vorgängerbauten ersetzen
18 Jahre hatten die Diskussionen über die Idee, die drei innerstädtischen Bahnhofe zu einem Zentralbahnhof zusammenzufassen, bis zu deren Verwirklichung gedauert. Der Taunusbahnhof, der Main-Weser-Bahnhof und der Main-Neckar-Bahnhof gehörten drei Bahnverwaltungen; sie lagen südlich des Mains am Stadtrand nebeneinander. 

1863 hatte man drei Millionen Fahrgäste im Jahr geschätzt, für die die Frankfurter Verkehrsverhältnisse unerträglich wurden. Abgesehen davon, dass das Umsteigen von einem Bahnhof zum anderen umständlich und für die Ausdehnung der Güterverkehrsanlagen kein Platz war, zum Hindernis wurden die drei Kopfbahnhöfe auch für die Militärtransporte 1870/1871.

Wo passt er am besten hin?
Danach begannen die Diskussionen um einen neuen Centralbahnhof, aber wo er liegen sollte, darüber prallten die Meinungen aufeinander. Durch die Reichsgründung 1871 und die Bildung der Eisenbahndirektion Frankfurt am Main 1874 wurden die Planungen des Centralbahnhofs dann vorangebracht.

Der Eisenbahninspektor Lehwald plante ihn an alter Stelle, der Geheime Baurat Kramer und der königliche Eisenbahnbau- und Betriebsinspektor Hottenrott sahen ihn am heutigen Platz vor, 600 Meter westlich der alten Anlagen, mit einem Hauptgüterbahnhof an der Mainzer Landstraße.

Hottenrott wurde dann Projektleiter für den Gesamtneubau, zu dem das Bahnhofsgebäude, die Hallen, die Lokschuppen, die bahneigene Gasanstalt, die Brücken und Werkstätten gehörten. Alles sollte um die 35 Millionen Goldmark kosten, eine ungeheure Summe!

Unter Zugrundelegung der bestehenden Gesamtkonzeption schrieb die Preußische Akademie des Bauwesens 1881 (nach anderen Quellen bereits im Juli 1880) den ersten nationalen Architektenwettbewerb zur Gestaltung des Bahnhofs aus, für den der Grundriss, die Gleisanordnung, die Hallenabmessungen und die Anordnung des Mittelvestibüls im Kopfbau des Empfangsgebäudes vorgegeben waren.

Die Wettbewerbsteilnehmer sollten nicht lediglich einen den Verkehrsbedürfnissen entsprechenden Zweckbau, sondern „einen die Bethätigung höchster künstlerischer Kraft heraus fordernden Denkmalbau“ schaffen. Den ersten Preis erhielt Hermann Georg Peter Eggert, Baumeister an der Universität Straßburg, für seinen Entwurf, der jedoch bei der Ausführung viele Änderungswünsche berücksichtigen musste. 

Innen hell und freundlich
Eggert sollte die eiserne Hallenkonstruktion auch von der Straßenseite her sichtbar werden lassen, auch wenn – wie damals üblich – eine Fassade aus Stein davorgesetzt werden musste. Das gelang ihm durch die niedrigen Seitenflügel des Kopfbaus. Er kombinierte auch den Giebel des Mittelschiffs mit der vorgezogenen Tonne der Haupteingangshalle sehr souverän und erreichte damit die sehr gute  Tagesbeleuchtung der Querbahnsteighalle. 

Da sämtliche Züge von Westen her einfahren sollten, mussten für die von Süden kommenden Strecken der Preußischen Staatsbahnen und der Hessischen Ludwigsbahn zusätzliche Brücken im Abstand von etwa 1.200 Meter von der alten Main-Neckar-Brücke errichtet werden.

Vom hohen Niveau der neuen Brücken senken sich die Hauptgleise der Main-Neckar- und der Bebraer Bahn im weiten Bogen zum Kopfbahnhof hinunter, jenseits der mit der Camberger Brücke durch die Bogen der nach Norden fuhrenden Main-Weser-Bahn. Dort einzufahren ist auch heute noch immer ein interessantes Schauspiel mit dem Blick auf die Bankentürme der City.

Die Verbindung der Gleise untereinander wurde durch 900 Meter Weichenstraßen, 50 nebeneinander liegende Abstellgleise und 66 durchlaufende Gleise hergestellt. Der erwähnte Projektleiter Alfred Hottenrott hatte ein Jahrzehnt lang auch alle Weichen, Signale und Stellwerke konzipiert.  Nördlich des Güterbahnhofs der Hessischen Ludwigsbahn, der 1897 zum Postbahnhof umgebaut worden war, entstand 1886/1887 der Hauptgüterbahnhof für die Preußischen Staatsbahnen.

Fassade mit Gesicht zur Stadt

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