Spitzname »Rollwagen«

Sachsen mit seinem dichten Streckennetz, das von vielen Steigungen, Krümmungen und kurzen Stationsabständen geprägt war, brauchte kräftige und leistungsfähige Personenzuglokomotiven. Mit der 2’C-Bauart XII H2 wurden diese Anforderungen beinahe perfekt erfüllt.
 
Die 38 205 im Februar 1982 in der Einsatzstelle Annaberg-Buchholz Süd. Interessant ist die Anordnung des Voreilhebels hinter dem Kreuzkopf              Foto: Gert Schütze © Gert Schütze

Es ist schon wieder bald zwölf Jahre her, dass sich im April 1998 die letzten Dampfwolken aus dem Schornstein einer Lok der Baureihe 382-3 auflösten und sich die Schuppentore hinter ihr für lange Zeit schlossen. Es ist daher an der Zeit, sich der erfolgreichsten sächsischen Personenzuglok der Gattung XII H2 zu erinnern. Die Bauart mit der Achsformel 2’Ch2, also mit drei gekuppelten Radsätzen und zwei
Zylindern, wurde erstmalig im Jahr 1910 mit der Fabriknummer 3382 von der Sächsischen Maschinenfabrik, vorm. Richard Hartmann (SMF) in Chemnitz, gebaut. Der ersten Maschine sollten noch weitere 168 Stück bis zum Jahr 1927, also bis in die Reichsbahnzeit, folgen.
Die Loks überzeugten von Anfang an mit sehr guter Leistung und hervorragendem Lauf, und daher erhielten sie frühzeitig den Spitznamen „Rollwagen“. Trotz der relativ großen Stückzahl blieben sie deutschlandweit ziemlich unbekannt, weil sich ihr Einsatzraum immer auf das sächsische Bergland konzentrierte.

Als Abkömmling der ebenfalls 2’C-gekuppelten Schnellzuglok XII H1 hat sich Bauart mit ihrem leistungsfähigen Kessel und dem für das Bergland günstigen Treibraddurchmesser von 1.590 mm sehr bewährt. Mit der 1906 erschienenen preußischen Personenzuglok P 8 konnte es der „Rollwagen“ leistungsmäßig jederzeit aufnehmen, nur die durch den Treibraddurchmesser bedingte Höchstgeschwindigkeit von 90, zuvor sogar nur 80 km/h, lag unter dem Wert der P 8.

Höhere Geschwindigkeiten waren im sächsischen Bergland sowieso kaum nötig, da kam es auf schnelle Beschleunigung nach den häufigen Halten an und auf das Steigvermögen auf langen Rampen. Aus gutem Grund wurden die neuen „Rollwagen“ zuerst auf der neigungsreichen Strecke Dresden – Chemnitz – Reichenbach (DW-Linie) im Schnellzugdienst verwendet.

Reichsbahnbaureihe 382-3
Durch die Kriegsereignisse im Ersten Weltkrieg gingen sechs Lokomotiven verloren und weitere 25 Stück mussten nach 1919 an Frankreich und vier Loks an Belgien abgegeben werden. Der daraus entstandene Lokmangel wurde nach Gründung der Deutschen Reichsbahn im Jahr 1920 teils durch Zuführung von preußischen P 8 und den Nachbau von 42 Loks der Gattung XII H2 ab dem Jahr 1922 durch die SMF gemildert.

Der neue Nummernplan von 1925 sah für die Loks der Gattung XII H2 die Baureihe 382-3 vor. Bedingt durch die Kriegsverluste und Reparationen wurden die Nummern 38 201 bis 38 334 belegt.

Neben der bekannten Leistungsfähigkeit kam der Gattung XII H2 noch die relativ geringe Achslast (Achsfahrmasse) von 15 Mp zugute, was einen freizügigen Einsatz der Loks auf allen Strecken ermöglichte. Das sollte ihr noch zum Verhängnis werden …

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