Stadt am Abstellgleis?

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2. längere Umspann-, Richtungs- und Ausfahrgleise,
3. eine leistungsfähige Ablaufanlage,
4. ein Nebenablaufberg für die Bildung von Nahgüterzügen notwendig wurden.

1961 begann der erste Bauabschnitt, zu dem der Bau der neuen Einfahrgruppe und des Stellwerks „Brf“ gehörte. Er wurde 1965 abgeschlossen. Gleichzeitig erhielt der Personenbahnhof 400 Meter lange Bahnsteiggleise. Das Bahnbetriebswerk P, die beiden Bahnmeistereien und die Signalmeisterei erhielten neue Dienstgebäude.

Danach musste der Dienstort immer wieder Federn lassen. „Bebra bleibt links liegen“, titelten die Zeitungen, als die Details vom Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke bekannt wurden. 1977 erfuhren die Einwohner Bebras von der einschneidenden Entscheidung, dass die Neubaustrecke nicht über Bebra geführt wird.

Die Großstadt Kassel hatte gegen die Kleinstadt Bebra gewonnen. Der Fernreiseverkehr rollt seit 1991 westlich an Bebra vorbei. Nicht nur die Hochgeschwindigkeitsstrecke brachte den Dienstort ins Abseits, sondern die vielen, zum Teil unbedeutend erscheinenden internen Entscheidungen, vom Streben nach Wirtschaftlichkeit diktiert.


BEBRAS STERN SINKT

Jeder spürte gleich nach dem Aussteigen aus dem Zug, dass die Bundesbahn nicht mehr als das Allernotwendigste investierte. Die Stadt, die über hundert Jahre lang mit, vor allem aber von der Eisenbahn gelebt hatte, musste Abschied nehmen von ihrer Monostruktur.

Das Fluidum von Rauch und Lärm, das jeden in diesem Bahnhofskomplex packte, war bereits durch die Elektrifizierung mit den neuen Loklangläufen und dem „Strukturwandel“ verloren. 120 Dampflokomotiven vom Betriebswerk Bebra P wurden für die Schnellzugleistungen nicht mehr benötigt, seit vom 8. März 1963 an die Züge nach Fulda und vom 24. Mai 1963 an nach Hannover mit elektrischen Lokomotiven fuhren.

Für den zweiten Bauabschnitt des Rangierbahnhofs bis 1974 gingen die beiden Ringschuppen des Betriebswerks Bebra G verloren. Der Bedeutungsschwund setzte sich fort. Zum 1. Januar 1988 wurden die Nachrichtenmeistereien Bebra und Fulda mit Sitz in Fulda zusammengelegt, im Sommer die Lokomotiven der Baureihe 150 nach Nürnberg verlegt, in der Werkstatt fielen 22 Arbeitsplätze weg.

Der Einsatz funkferngesteuerter Rangierlokomotiven der Baureihe 365 seit dem 13. Februar 1989 führte ebenfalls zu weniger Personal.

Die Fernsteuerung von den Zentralstellwerken tat ein Übriges. 1970 waren noch 4.000 Eisenbahner in Bebra tätig, 1989 ganze 1.400. Man sprach in der Stadt schon von einem „Rheinhausen der Bahn“. Für kurze Zeit flackerte der Reiseverkehr nach und von Bebra wieder auf, als am 11. November 1989 die Neugierigen aus dem Osten in den Wagen des Städte-Expresszuges „Rennsteig“ kamen.

Niemand war auf solch einen Massenverkehr vorbereitet. Bereits im Frühjahr 1990 hatte sich die Situation normalisiert; der Fahrplan sah mehr Regelzüge im Ost-West-Verkehr vor, ansonsten bevorzugten „die von drüben“ den Pkw. Der Bundesgrenzschutz rückte ab, im Jahr 2000 zog das Zollamt nach Bad Hersfeld um.

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 04/14.

 

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