Studentenheizer: Auf dem Führerstand - 1970 im Bw Crailsheim

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Dienste: Sondereinsätze
Anfangs gab es Einsätze bei Arbeitszügen (Az) nach Satteldorf oder Goldshöfe, um Masten für die Elektrifizierung zu setzen, meist mit der Reihe 23. Mehrere Male war ein ganztägiger Az nach Leutershausen-Wiedersbach bei Ansbach zu fahren. Einmal durfte ich auf der ganzen Tour hin und zurück auf der 23 065 selbst an den Regler.

Interessant waren Sondereinsätze auf Strecken, auf denen normalerweise keine Dampflokomotiven mehr verkehrten: Einmal galt es, mit Lokführer Hanemann die 23 088 aus dem Bw Kornwestheim, das damals schon seit Jahrzehnten nur noch Elloks beherbergte, abzuholen. Dieser Maschine waren in der dortigen Werkstätte die Radsätze abgedreht worden. Als die stolze Lok ausrückbereit und mit arbeitender Luftpumpe auf der Drehscheibe stand, meinten einige Bw-Mitarbeiter mitleidig, eine solch alte Mühle sei schon lange nicht mehr in ihrer Dienststelle gewesen. Hierauf zeigte ich ihnen das Fabrikschild der erst zwölf Jahre zuvor, 1958, mit der Fabriknummer 12.758 bei Jung in Jungenthal gebauten Dampflokomotive und wies ihnen nach, dass unter den sonst hier stationierten E 50, E 93 und E 94 diese 23er das neuste Zugpferd des gesamten Ellok-Betriebswerkes war!

Während wir als leer fahrende Lok (Lz) über das Gütergleis nach Norden ausrückten, überholte uns ein Stuttgarter Vorortzug der Reihe ET 65, im Ludwigsburger Bahnhof überholten wir im Gegenzug vor erstaunten Reisenden zwei ET 65 am Nebengleis. Wir bogen in die Murrbahn ein, deren westlicher Ast bis Backnang ebenfalls lange keine planmäßige Dampflok mehr gesehen hatte. Vorbei an den stattlichen alten Empfangsgebäuden polterten wir über den großen Neckarviadukt, und gleich danach mündete von links die gekappte Bottwar-Schmalspurbahn als regelspuriges Anschlussgleis in den Bahnhof der Schillerstadt Marbach ein. Über Burgstall gelangten wir nach Backnang und unsere Lok wieder auf ihre Stammstrecke.

Als Lz mussten wir unterwegs naturgemäß Züge kreuzen und überholen lassen und erreichten um 17.30 Uhr Crailsheim, wo wir die radsatzerneuerte Lokomotive ablieferten. 

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 05/10

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