Unterwegs mit dem Alleskönner Baureihe 218

Reportage: von München ins Allgäu Viele angestammte Einsatzgebiete haben die Großdieselloks in den letzten Jahren verloren, doch in Süddeutschland finden sie noch reichlich Arbeit.
 
Idyllische Landschaft und gemütlicher Bahnbetrieb: Zwischen  Memmingen und Hergatz fahren die 218er noch jeden Tag im Fern- und Nahverkehr. Lokführer Tobias Nöser (kleines Bild) ist dort regelmäßig unterwegs  Alle Fotos Felix Löffelholz © Felix Löffelholz
Vom blauen Himmel lacht die Sonne, kein Wölkchen ist weit und breit zu sehen – welch ein idealer Tag für eine genussreiche Bahnfahrt! Doch ausnahmsweise nicht auf den bequemen Polstersitzen eines n-Wagens, sondern ganz vorne, auf dem Führerstand einer 218, soll die Fahrt ins Allgäu heute stattfinden. Am Gleis 30 des Münchner Hauptbahnhofs treffen wir Lokführer Tobias Nöser aus Lindau. Den RE 32673, bestehend aus der Kemptener 218 493 und vier Wagen, hat er soeben vom Bodensee in die bayerische Landeshauptstadt gebracht. Mit von der Partie ist auch sein Kollege Markus Eike, ebenfalls Lokführer und zugleich Teamleiter am Standort Lindau.

Beide Kollegen teilen eine große Begeisterung, nämlich jene für die Baureihe 218. „Die könnte ich jeden Tag fahren“, sagt Tobias Nöser überzeugt. „Sie ist einfach faszinierend: Da sitze ich direkt vor dem 2.800-PS-Motor und bekomme hautnah mit, was passiert. Außerdem ist sie formschön und kommt wuchtig daher“. Auch für Markus Eike ist der Diesellokklassiker längst mehr als ein Arbeitsplatz geworden. Vor einigen Jahren ließ er sich sogar eigens vom Bw Hannover nach Süddeutschland versetzen, da sich hier noch längerfristig 218-Einsätze andeuteten.

Über drei Trittstufen und durch eine schmale Tür klettern die beiden Lokführer auf den Führerstand der 218 493, wo sogleich ein eigenwilliger Geruch – eingefleischte Fans sprechen von Duft – aus Motoröl, Schmierfett und Kraftstoff in die Nase steigt. Und der Anblick der abgegriffenen Bedienelemente mit zahlreichen Kippschaltern, urigen Leuchtmeldern und dem charakteristischen Fahrstufenregler in Lenkradform macht klar: Diese Lok hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Dennoch ist sie auf dem neuesten Stand der Steuerungs- und Sicherungstechnik. Wie bei den meisten der Kemptener 218er arbeitet in ihrem Inneren einer der modernsten Dieselmotoren, der Typ 16V 4000 R40 von MTU. 

Immer wieder modernisiert
„Mich fasziniert der Wandel der 218“, sagt Markus Eike. „Diese Loks sind 30 bis 40 Jahre alt und wurden immer wieder modernisiert“. Viele haben die zeitmultiplexe Wendezugsteuerung (ZWS), die frequenzmultiplexe Zugsteuerung (FMZ) oder die Energieversorgung mit GTO-Umrichtern erhalten. Damit können sie zum Beispiel vor den modernsten Doppelstockwagen eingesetzt werden. Als Tobias Nöser die Lok startet, summt zunächst die Schmierölvorpumpe für einige Sekunden, ehe mit einem kräftigen Räuspern der Dieselmotor anspringt und die Lok aus ihrer Ruhe erwacht. Zwei Kippschalter für Leistung und Luftpresser gilt es noch umzulegen, dann folgen eine Bremsprobe und ein Spruch ins Funkgerät: „Von Gleis 30 bitte in die VN“, lässt er den Fahrdienstleiter wissen.

Mit „VN“ bezeichnen Eisenbahner die „Vorstellgruppe Nord“ in München, wo Züge, fast in Sichtweite des Hauptbahnhofs, abgestellt, gereinigt und technisch behandelt werden. Schon erscheinen zwei weiße Lichter auf dem Signalschirm, das Signal „Sh 1“ erlaubt die Rangierfahrt. Tobias Nöser schaltet gleichmäßig die Fahrstufen auf, und der Zug rollt gemächlich über zahlreiche Weichen hinaus. In der Vorstellgruppe angekommen, trennt ein Rangierer Lok und Wagen.

Durch den Maschinenraum wechselt Tobias Nöser nun zum anderen Führerstand. In dem engen Gang, vorbei am laufenden Motor, kann es einem durchaus unheimlich werden: Heiß, stickig und extrem laut ist es hier. Man spürt: Die 16 Zylinder bringen auch im „Standgas“ eine ungeheure Kraft hervor. Kurz darauf beginnt die Fahrt zurück in den Hauptbahnhof. Noch eben wird der Rangierer bei seiner V 60 abgesetzt, dann setzt Tobias Nöser behutsam an die bereit stehenden Wagen für die nächste Zugfahrt. Mit der so genannten Zusatzbremse, die im Gegensatz zur indirekten Zugbremse ausschließlich auf die Drehgestelle der Lok wirkt, kann er die Geschwindigkeit sehr genau regeln. Zughaken einhängen, Bremsprobe – fertig! „Jetzt ist erstmal Brotzeit“, freut er sich.

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