Zeitlos schönes Fahrzeug: Vierachser für private Nebenbahnen

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Zunächst waren die Esslinger eine konsequente Weiterführung der mit Beginn des Zweiten Weltkriegs so abrupt unterbrochenen Entwicklung. Die Maschinenfabrik Esslingen projektierte eine eigene und zwischenzeitlich bestens bewährte Konstruktion für jenen Teil der Wagen, welcher dem Fahrgast notwendigerweise bei jeder Fahrt auffallen musste: Nämlich den Raum, in welchem sich der Reisende zu bewegen hatte. Ausgefeilt waren die Einstiegsräume mit ihren Außen- und Abteiltüren sowie den Stehplätzen. In den Innenräumen fanden sich zwar teils noch Holzbänke, zum Teil aber auch schon gepolsterte Sitzmöglichkeiten. Nicht zu vergessen waren solche Kleinigkeiten wie Fußmatten, Fenster und Gepäckablagen. All dies ermöglichte ein angenehmes Fahren.
 

Leider blieb bei den Maschinenanlagen eine Normung aus. Auf diesem Gebiet wurde mit sehr vielen Zulieferern gearbeitet und manche Bahn stimmte später Klagegesänge an, wenn es um die Ersatzteilbeschaffung ging. Doch bei Anlieferung überwogen die Vorteile, die spezifischen Bedürfnisse des Bestellers zu befriedigen und natürlich auch die rasante Entwicklung der Maschinentechnik umsetzen zu können.
Die Esslinger Triebwagen waren große und großräumige Fahrzeuge, die schon als Einzelfahrer ein beachtliches Angebot an Plätzen aufwiesen. Mit ihrem beachtlichen Fassungsvermögen, das in etwa dem von drei normalen Omnibussen entsprach, konnten sie auch in der Hauptverkehrszeit ihren Mann stehen. Ein weiteres Qualitätskriterium waren die Lauf­eigenschaften. Die Drehgestelle sorgten beim Fahrgast für ein angenehmes Fahrgefühl. Für die Bahnverwaltungen fast noch wichtiger als Laune und Zustand des Fahrgasts war die Schonung der im Krieg heruntergewirtschafteten, lange nicht mehr gepflegten Gleisanlagen. Für diese waren die schonenden Drehgestellfahrzeuge wichtig, weil lebensverlängernd.
Das Wichtigste bei der Beschaffung eines „Esslingers“ war aber für die jeweilige Bahnverwaltung die Wirtschaftlichkeit. Nicht nur theoretisch konnte ein kompletter Dampfzug mit Lokomotive, Packwagen und zwei oder drei Personenwagen durch einen einzigen „Esslinger“ ersetzt werden. Eine Garnitur aus Triebwagen und ein oder zwei Beiwagen war auch für die Bedürfnisse der Hauptverkehrszeit ausreichend.
Natürlich konnten die „Esslinger“ auch Anhänger des alten Fahrzeugbestandes (normale Personenwagen oder Triebwagenanhänger jeglicher Art) mit sich führen. Selbst Güterzüge mit Personenbeförderung (Gmp) vertrugen die „Esslinger“. Mindestens zwei oder drei Güterwagen konnte man ihnen mitgeben. Und selbst dem Rangierdienst zeigten sie sich nicht abgeneigt.
Auf jeden Fall besaßen die „Esslinger“ wirklich Eisenbahncharakter und erweckten nicht wie die Schienenbusse der DB den Eindruck eines für Truppentransporte umgebauten Lastwagens. Einen vergleichbaren vierachsigen Dieseltriebwagen gab es bei der DB bis Mitte der 1970er-Jahre nicht.
Eventuell besser als die „Esslinger“ waren in DB-Diensten eigentlich nur die Akkumulator-Triebwagen der Baureihen ETA 150 und ETA 176. Sie boten in etwa den gleichen Standard der Inneneinrichtung, Reisequalität mit sehr ruhigem Lauf und eine vorzügliche Schallisolierung. Doch hatten diese Fahrzeuge aufgrund ihres besonderen Antriebs bzw. wegen der rasch versiegenden Energiequelle einen nur begrenzten Aktionsradius und waren hier eindeutig den „Esslingern“ unterlegen.
Im Lauf der Zeit mussten fast alle Fahrzeuge irgendwelche Modifikation oder Umbauten über sich ergehen lassen, ganz zu schweigen von den sich ab den 1970er-Jahren häufenden Farbspielereien.

Der Einsatz
Wie schon erwähnt sorgte vor allem die Deutsche Eisenbahn-Gesellschaft (DEG) in Frankfurt (Main) mit ihrer Beschaffungspolitik für die entsprechenden Stückzahlen bei den „Esslingern“. Mit 24 von insgesamt 50 Fahrzeugen konnte sie fast die Hälfte aller gebauten Triebwagen auf ihrem Konto verbuchen.
 

Für folgende Bahnen und Bahngesellschaften unter DEG-Regie wurden Esslinger neu beschafft:

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