Zweite Karriere für den VT 11.5

Seiten

Doch dann kam – wieder einmal – alles ganz anders. Die BD Essen hatte 1978 von Münster aus sehr erfolgreich Touristikverkehr in Form von Tages- und Wochenendausflügen in Richtung Nord- und Ostsee angeboten. Solche Einsätze in Urlauberverkehren waren nicht neu, es gab sie bereits seit Sommer 1970. Unter anderem fuhren die 601 an Wochenenden im Auftrag von TUI von Frankfurt am Main aus nach Norddeich und Innsbruck sowie von Köln nach Puttgarden und Oberuhldingen am Bodensee. Im Winter 1970/71 gab es Fahrten in die Wintersportorte Seefeld in Tirol, Innsbruck (samstags) und Oberstdorf (sonntags). Im Sommer hießen die Ziele Westerland, Wilhelmshaven und Travemünde. Diese Fahrten, besonders aber die Tagesausflüge der BD Essen Ende der 1970er-Jahre hatten bei den Reisenden großen Anklang gefunden. Es war nicht zu übersehen, dass der Erfolg der Sonderfahrten der BD Essen zu einem guten Teil auf dem Einsatz der bekannten und komfortablen Triebzüge beruhte. Beim Reisedienst der BD Essen bestand daher großes Interesse am Erhalt der 601er.

Auch andere Reiseveranstalter bekundeten Interesse an einem Einsatz der 601. Die im „Gemeinschaftsverkehr Touristik Union International und Alpen-See-Expreß“ organisierten Reiseunternehmen boten großräumige Zubringerverkehre mit der Bahn als Bestandteil von Pauschalurlauben an, die das Deutsche Reisebüro (DER) organisierte. Für die Reise zu längeren Ferienaufenthalten in Süddeutschland und Südeuropa kamen sowohl Tages- als auch Nachtreisezüge mit Liegewagen zum Einsatz. Das Wagenmaterial war allerdings etwas in die Jahre gekommen. Vom Einsatz der 601 versprach man sich eine Aufwertung des Urlaubsverkehrs. Als Tagesreisezug innerhalb Deutschlands im Rahmen des Programms „Alpen-See-Expreß“ konnte er eine wichtige Ergänzung zu dem erwähnten Tag-/Nacht-Reisezugverkehr bilden.

Ohne Umsteigen in den Urlaub
Die Reiseveranstalter planten zunächst einen Charterverkehr von Dortmund nach Berchtesgaden, der im Sommer 1979 starten sollte. Daraus entstanden schließlich Pläne für einen wochentagabhängigen Turnusverkehr reiner Tageszüge. Der Vorteil lag neben dem großen Komfort der 601 in der für die meisten Fahrgäste umsteigefreien Fahrt bis zum Zielort. Nun sollte nicht mehr der morgens am Urlaubsort nach einer Nachtfahrt ankommende Zug wenden und die Rückfahrt als Tagesreisezug antreten (in manchen Fällen erfolgte die An- und Abreise auch umgekehrt in Form der Rückreise über Nacht), sondern es sollte morgens sowohl am Ausgangs- als auch am Zielorten je ein Zug abfahren. Mit Ausnahme des ersten und des letzten Reisetages sollten also am selben Tag sowohl Hin- wie auch Rückfahrt stattfinden.

Die Überlegungen gingen in Richtung wöchentlicher Fahrten an festen Tagen zu verschiedenen Zielen in Süddeutschland während der Winter- und Sommerreisesaison. Es zeigte sich, dass in der Hauptreisesaison ein nahezu täglicher Einsatz möglich sein würde. Voraussetzung für einen Turnusverkehr von Montag bis Sonntag war allerdings, dass die Anbieter der Urlaubsquartiere davon überzeugt werden konnten, dass eine An- und Abreise nicht nur am Samstag und Sonntag möglich war. Als dies gelang, begannen konkrete Planungen. An vier Wochentagen sollten von zwei Ausgangsorten in Norddeutschland jeweils zwei Ziele in Süddeutschland angefahren werden. Zur Kostenersparnis sollten die Triebzüge auf gemeinsamen Abschnitten als Doppeleinheit verkehren. Für diesen Saisonverkehr waren mindestens fünf Triebzüge erforderlich, die daneben in den Monaten Mai und Oktober bis Dezember weiterhin für Ausflugsfahrten, Tagesreisen und Charterverkehre zur Verfügung standen. Dieses Konzept überzeugte auch die DB, die Abstellung der 601 war damit abgewendet. Von Seiten der Reiseveranstalter gab es zwar eine Reihe von Änderungswünschen bei den Triebzügen, die aber im Rahmen der ohnehin fälligen Hauptuntersuchungen alle berücksichtigt werden konnten.

Mehr Platz für Gepäck
So benötigte man reichlich Stauraum für das Urlaubergepäck, insbesondere für die im Winter hinzukommenden Skiausrüstungen. Wegen der langen Reisezeiten von Norddeutschland zu den süddeutschen Urlaubszielen musste der Zug bewirtschaftet sein. Auf dem Hauptlauf sollte das die DSG übernehmen. Außerdem benötigte man eine Übertragungseinrichtung für Durchsagen und Musik. Als wirtschaftlich wurden Einheiten mit je 300 bis 320 Sitzplätzen angesehen. Dafür reichten die siebenteiligen Triebzüge nicht aus. Erforderlich waren mindestens zehnteilige Einheiten aus zwei Triebköpfen und acht Mittelwagen.

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter