1’D1’-Einheitstenderlok

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Eine weitgehende Änderung der Konstruktion war bedingt durch den Übergang zum Krauss-Helmholtz-Gestell wegen der vom Betrieb immer wieder beanstandeten Laufeigenschaften. Nach Versuchen mit der 86 121 wurde die entsprechende Empfehlung des Lokomotivausschusses vom September 1936 für 86 293 – 296, 336 – 591, 606 – 627, 698 – 816, 835 – 875 und 966 umgesetzt. Der Erfolg hielt sich letztlich in Grenzen. Zwar schonten die Lokomotiven mit einem auf 1.700 mm reduzierten festen Achsstand tatsächlich die Gleise, waren dafür jedoch für Rahmenbrüche anfälliger. Die Personale merkten kaum Unterschiede.

86 in Übergangs-Kriegsbauart
Die Zeitgeschichte führte zu einer weiteren Bauartvariante: Im Vorfeld der Umstellung des Lokomotivbaus im ganzen deutschen Machtbereich ab 1942 auf die Kriegslok der Baureihe 52 wurde die 86 als einzige Tenderlok zur „Übergangs-Kriegslok“ entfeinert. Äußerlich sichtbar war der Verzicht auf den Zentralverschluss der Rauchkammertür und auf die vorderen Seitenfenster des Führerhauses; viele Einsparungen betrafen Details der Schmierung und der Druckluftbremse.

Mit einer Abfolge von nicht weniger als 106 Verfügungen teilweise im Wochen- oder gar Tagestakt zwischen dem 23. Februar und 18. Juli 1942 bereitete der Hauptausschuss Schienenfahrzeuge den Herstellerwerken vermutlich mehr Arbeit, als es durch die realen Einsparungen an nicht allzu vielen Lokomotiven gerechtfertigt war.

Mit der propagandawirksamen Kennzeichnung „ÜK“ hinter den Nummern wurden dann 86 456 – 487, 528 – 543, 606 – 627, 698 – 725, 754 – 780 und 835 – 875 abgeliefert. Die Lücken sind nicht so sehr mit restlichen Baulosen in Friedensqualität zu erklären als vielmehr mit der Stornierung der meisten Bestellungen.

Nicht alle Nummern wurden schließlich besetzt. Es gab insgesamt: 86 001 – 591, 606 – 627, 698 – 816, 835 – 875 und 966. Hersteller waren zunächst, nämlich bis zur 86 300 im Februar 1938, die Maschinenbaugesellschaft Karlsruhe, Linke-Hofmann, Schichau, Krupp, Esslingen, Borsig, Henschel, BMAG sowie Orenstein & Koppel. Nach einem Jahr Beschaffungspause lieferte dann die Wiener Lokfabrik im soeben angeschlossenen Österreich die ungewöhnlich großen Serien 86 301 – 377 (1939) und 378 – 455 (1941) ab. 1942/43 folgten dann DWM Posen, Henschel, Krupp, O&K, BMAG, Borsig und Wiener Lokfabrik mit den restlichen Maschinen.

86 überall in »Großdeutschland«
Zugewiesen wurden die Lokomotiven selbstverständlich bevorzugt Rbd’en mit steigungsreichen Nebenbahnen. 1932 besaß die Rbd Dresden 47 der bis dahin gebauten 65 Loks, 1934 genau die Hälfte der vorhandenen 152 Loks. Auch die Direktionen Frankfurt (Main), Kassel, Nürnberg, Trier/Saarbrücken und Wuppertal konnten sie sehr gut gebrauchen.

Die 86er fanden ein breites Einsatzspektrum unterhalb der Leistungsklasse der schwereren 93 (pr. T 14 und T 141) und unterhalb der Geschwindigkeit der 78 (pr. T 18) und der neuen 64, wobei sie der Letztgenannten aber bestimmungsgemäß in der Zugkraft deutlich überlegen war. Dass auf wirklichen Steilstrecken preußische (T 16 und T 161) und sächsische (XI HT) 94er erfolgreicher waren, kann nicht überraschen.

Die erwähnte große Nachbestellung aus der „Ostmark“ ist im Zusammenhang mit den Betriebsverhältnissen dort und im ebenfalls 1938 annektierten „Sudetenland“ zu erklären. Nach den dort noch gültigen altösterreichischen Maßstäben war eine Lokomotive mit 15 Tonnen Achsfahrmasse und 80 km/h Höchstgeschwindigkeit keine Nebenbahnlok, sondern eine Universalmaschine.

Im Zweiten Weltkrieg konnten dann klassische technische Zweckbestimmungen für Lokomotiven immer weniger beachtet werden. So wurde die 86 dann auch Direktionen wie Berlin, Posen und Stettin zugewiesen und im Flachland verwendet. Zuletzt besaß jede Direktion 86er. Im Protektorat Böhmen und Mähren, im Generalgouvernement und in den besetzten Gebieten war sie nie stationiert. Gebaut wurden für die Deutsche Reichsbahn 774 Exemplare. Eine von der Eutin-Lübecker Eisenbahn beschaffte Maschine wurde bei deren Übernahme durch die Reichsbahn mit der Nummer 86 1000 eingereiht. Stets privat blieb ein Exemplar der Bentheimer Eisenbahn.

Nach 1945 befanden sich 385 Exemplare der Baureihe 86 in den deutschen Westzonen, 243 in der sowjetischen Zone, 69 in der Tschechoslowakei, 46 in Polen, 27 in Österreich, zwei in der Sowjetunion und eine in den Niederlanden. Die größte Verschiebung innerhalb der Nachkriegsbestände ergab sich durch die Abfuhr von 71 Exemplaren aus der Sowjetzone in die Sowjetunion 1945.

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