24 Stunden, 73 Reisezüge

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Auch südlich von Göttingen folgt die Trasse zunächst dem Tal der Leine, verlässt es dann jedoch kurz hinter Friedland (Han). Um die Wasserscheiden zwischen Leine und Werra bei Eichenberg sowie zwischen Werra und Fulda bei Cornberg zu überwinden, sind erhebliche Steigungen und drei (bis 1963 vier) Tunnel notwendig. Es sind dies in Nord-Süd-Richtung zwischen Eichenberg und Oberrieden der Bebenroth-Tunnel und der Schürzeberg-Tunnel und bei Cornberg der Cornberger Tunnel. Der Braunhäuser Tunnel wenige Kilometer weiter südlich wurde 1963 im Zuge der Elektrifizierungsarbeiten nach oben geöffnet. Die Strecke insgesamt ist sehr krümmungsreich. Wichtige Zwischenstationen im Abschnitt zwischen Göttingen und Bebra sind neben Eichenberg Bad Sooden-Allendorf und Eschwege West. Dieser Bahnhof hieß bis 1938 Niederhone. Zwischen Bebra und Fulda folgt die Trasse der Nord-Süd-Strecke zunächst dem Tal der Fulda. In Bad Hersfeld schwenkt die Strecke dann in das Tal der Haune. Diese Trassierung wurde gewählt, um das Staatsgebiet des Kurfürstentums Hessen nicht zu verlassen. Zur Zeit des Streckenbaus nämlich gehörte ein Teil des Tales der Fulda zum nordöst­lichen Zipfel des Großherzogtums Hessen. Dafür wurde damals ein komplizierterer Verlauf und der Bau des 234 Meter langen Burghauner Tunnels in Kauf genommen.

Südlich von Fulda teilt sich bei Flieden die Nord-Süd-Strecke auf in den Ast nach Frankfurt am Main und den nach Gemünden. Das war nicht immer so, denn in Richtung Frankfurt muss der Hessische Landrücken (meist nur Landrücken oder auch Distelrasen genannt) überwunden werden, der das Fuldatal vom Kinzigtal trennt. Dazu führte auch die Strecke nach Frankfurt zunächst über Elm, wo eine Spitzkehre angelegt worden war. Von dort aus verläuft sie hinab nach Schlüchtern ins Kinzigtal und weiter nach Hanau und Frankfurt. Der Bau des Schlüchterner Tunnels unter dem Distelrasen schuf ab 1914 eine direkte Verbindung zwischen Flieden und Schlüchtern und machte die Spitzkehre in Elm überflüssig.

1873 bereits wurde am Kopfende des Bahnhofs Elm die von Gemünden kommende Fulda-Main-Bahn angeschlossen. Elm wurde damit zu einem Durchgangsbahnhof, die Bahnstrecke Flieden – Gemünden entstand. Der südlichste, krümmungs- und tunnelreichste Abschnitt der Nord-Süd-Strecke führt uns durch die Ausläufer von Spessart und Rhön entlang des Oberlaufs der Kinzig, durch die heute aufgelassenen Bahnhöfe Elm und Vollmerz und den noch im Personenverkehr bedienten Bahnhof Sterbfritz.

Als besonders eindrucksvoll habe ich die Fahrten durch den Bahnhof Elm in Erinnerung, an dessen Ausfahrt in Fahrtrichtung Gemünden sich ein enger 180-Grad-Rechtsbogen anschließt. Die langsame Fahrt durch diese „Haarnadelkurve“ ermöglichte durch das geöffnete Abteilfenster auch aus dem letzen Wagen eines langen InterCity-Zuges einen Blick nach vorn zur Lokomotive, bevor mit dem 232 Meter langen Ebertsberg-Tunnel der erste von insgesamt sieben Tunneln bis Gemünden erreicht wird. Zwischen Mottgers und Jossa erreicht die Nord-Süd-Strecke dann das Tal der Sinn und folgt dem Flüsschen von da ab bis zur Mündung in den Main bei Gemünden. Dabei verläuft sie heute teilweise in enger Nachbarschaft zur Neubaustrecke Hannover – Würzburg. Im Betriebsbahnhof Burgsinn besteht eine Verknüpfung der Nord-Süd-Strecke mit der Neubaustrecke. Das Wanfrieder Abkommen von 1945
Untrennbar mit der Nord-Süd-Strecke verknüpft ist das Schicksal des etwa 15 Kilometer langen Abschnittes zwischen Eichenberg und Bad Sooden-Allendorf. Vier Kilometer hinter dem Bahnhof Eichenberg befindet sich das nördliche Tunnelportal des 930 Meter langen Bebenroth-Tunnels. Es folgt ein langes Gefälle hinunter ins Werratal. Der aufmerksame Reisende sieht kurz nach Verlassen des Bebenroth-Tunnels in Höhe der Ortschaft Neuseesen linker Hand die Burg Hanstein, die bereits in Thüringen – also früher auf DDR-Gebiet – liegt, sowie rechter Hand die Burg Ludwigstein. Kurz nach dem Durchfahren des Haltepunktes Werleshausen wird die Werra überquert.
Wenige hundert Meter hinter der Werrabrücke folgt der 173 Meter lange Schürzeberg-Tunnel, dessen nördliches Portal zwei zinnenbewehrte Türme verzieren. Gleich hinter der südlichen Tunnelausfahrt liegt der kleine Bahnhof Oberrieden. Die Strecke verläuft nun bis Bad Sooden-Allendorf im Tal der Werra, linker Hand ist der Fluß zu sehen, der in diesem Bereich die Grenze zur DDR bildete. Deutlich waren am anderen Ufer die Grenzanlagen zu erkennen.

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