24 Stunden, 73 Reisezüge

Seiten


Der Verlauf der innerdeutschen Grenze war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs allerdings noch anders! Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 wurde die Aufteilung Deutschlands in sogenannte Besatzungszonen beschlossen, die durch Demarkationslinien voneinander getrennt waren. Diese orientierten sich an den Landesgrenzen zwischen Thüringen und Hessen. Anfang Juli 1945 zogen sich die amerikanischen Truppen, die im Zuge der Kampfhandlungen bis weit nach Thüringen und Sachsen vorgestoßen waren, an die Demarkationslinie zwischen Hessen und Thüringen zurück.

Daraufhin besetzten die sowjetischen Truppen das Gebiet ihrer Zone einschließlich der Gemeinden Neuseesen und Werleshausen. Das hatte zur Folge, dass ein ungefähr vier Kilometer langer Abschnitt der Nord-Süd-Strecke durch sowjetisch besetztes Gebiet führte. Auf dem Weg von Eichenberg nach Bad Sooden-Allendorf erreichte man im Bebenroth-Tunnel das sowjetisch besetzte Gebiet und auf der Werrabrücke bei Oberrieden verließ man es wieder.
Das war natürlich auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Viele Züge wurden von den Soldaten der Roten Armee gestoppt, oft hieß es für die Fahrgäste: „Alles raus!“ Die Zwangspausen dauerten manchmal über eine Stunde und häufig wechselten Armbanduhren – natürlich nicht ganz freiwillig – die Besitzer. Außerdem war die Nord-Süd-Strecke für die Amerikaner militärisch wichtig, denn über sie rollte der Nachschub von Bremen in den Süden Deutschlands – und den sollten die Russen nicht kontrollieren. Die Bevölkerung muss bleiben!
Mit dem sogenannten „Wanfrieder Abkommen“ wurde schließlich am 17. September 1945 ein Gebietsaustausch zwischen der sowjetischen und der US-Zone vereinbart. Die zwei Dörfer des thüringischen Kreises Heiligenstadt, Neuseesen und Werleshausen, gelangten auf diese Weise nach Hessen und damit in die US-Zone, im Gegenzug wurden die hessischen Dörfer des Kreises Witzenhausen, nämlich Sickenberg, Asbach, Weidenbach und Vatterode, dem sowjetisch besetzten Gebiet zugeschlagen. In dem Abkommen hieß es weiterhin: „... die ansässige Bevölkerung bleibt mit ihrem Eigentum an Ort und Stelle“. Damit gehörten die betroffenen hessischen Bewohner zur sowjetischen Zone und die thüringischen zur US-Zone.

Betrieb zur Dampflokzeit
Streckenverlauf und -bedeutung nach 1945 waren die Ursache, dass der Dampfbetrieb auf der Nord-Süd-Strecke als besonders beeindruckend bezeichnet werden kann. Lokomotiven der Baureihen 01, 01.10, 03, die beiden 10er, 3810, 44 und 50 – die an der Nord-Süd-Strecke gelegenen Bahnbetriebswerke hielten Maschinen mit Rang und Namen vor, deren harter Betriebsalltag sie oft bis an den oberen Rand ihrer Leistungsgrenze forderte.

Der Fahrdraht dringt weiter vor
Bereits in den 1960er-Jahren wurde die Nord-Süd-Strecke angesichts der stetig steigenden Belastung massiv ausgebaut. Sie erhielt neue Stellwerkstechnik, die den Gleiswechselbetrieb ermöglichte und wurde mit zusätzlichen Überholgleisen versehen. Außerdem wurde der Oberbau verstärkt. Nachdem 1963 die Nord-Süd-Strecke Hannover – Gemünden (Main) und 1964 die Werratalstrecke Eichenberg – Hann Münden – Kassel elektrifiziert worden waren, erlebte sie erneut einen starken Anstieg des Verkehrsaufkommens. Die Deutsche Bundesbahn bevorzugte für den Personenfernverkehr eindeutig die zwar acht Kilometer längere, aber wesentlich steigungsärmere und schnellere Verbindung von Göttingen über Bebra und Fulda Richtung Süden und nicht den Weg über die Dransfelder Rampe nach Kassel und weiter über die Main-Weser-Bahn. Der Abschnitt Göttingen – Dransfeld – Hann Münden blieb folglich ohne Fahrdraht. Die meisten Fernzüge nahmen fortan den elektrifizierten Weg über Eichenberg.

Mit Einführung des InterCity-Verkehrs und dem stündlichen Taktfahrplan ab 1979 verschärften sich die Kapazitätsprobleme ein weiteres Mal. Sie forcierten letztendlich den schon seit Jahren in der Planung befindlichen Bau der Neubaustrecke.

Lesen Sie den vollständigen Artikel von Johannes Poets in der LOK MAGAZIN Ausgabe 11/11

Seiten

Tags: 
Weitere Themen aus dieser Rubrik

ET 184 41, 42/ ET 185 01: Elektrische Pioniere

Am 4. Dezember 1895 eröffnete die Localbahn AG in Württemberg zwischen Meckenbeuren und Tettnang die erste elektrische Vollbahn in Europa.

Für den...

weiter

Baureihe 140 im Emsland: Die Funken schlagen

Im Emsland tummelten sich früher die Dampflokfans. Doch Geschichte wiederholt sich: Das Emsland zieht heute Ellok-Nostalgiker an. Warum das so ist, lesen Sie hier!

Lokführer im Ruhrgebiet in den 1970ern: Oft um den Kirchturm herum

In den frühen 1970er-Jahren arbeitet Peter Schricker als Lokheizer im Bahnbetriebswerk Duisburg-Wedau. Seine Dampflok-Einsätze sind die typischen jener Jahre:... weiter