50 Jahre im Dienst der Dampflok

Das 1927 in Betrieb genommene Werk brauchte nur wenige Jahre, um sich einen hervorragenden Ruf zu erarbeiten. Diesen behielt es bis zu seiner Schließung 1977. Doch das Ende war das noch nicht ...

 
Die 044 404 aus Crailsheim wird am 30. März 1973 auf dem Verbindungsgleis vom AW zum Rangierbahnhof hin- und herbewegt, um die Zylinderventile einzustellen. Foto: Dietmar Falk © Dietmar Falk
Bereits in den 1920er-Jahren nahm die Deutsche Reichsbahn drei neue Dampflok-Ausbesserungswerke in Betrieb. Es waren die Werke in Schwerte an der Ruhr (Eröffnung am 1. Oktober 1922), Braunschweig (10. Mai 1927) sowie München-Freimann (2. November 1927). Danach wurden für die Dampftraktion keine neuen Ausbesserungswerke mehr erbaut.

In den ersten Jahren nach 1900 wurde es offensichtlich, dass die am damaligen Hauptbahnhof Braunschweig gelegene Hauptwerkstatt für Lokomotiven aufgrund ihres Alters und ihrer Enge langfristig nicht mehr den Anforderungen einer zeitgemäßen Lokunterhaltung genügen würde. Daher begann die Preußische Staatsbahn mit der Planung einer umfangreichen Ersatzanlage, die ab 1919 im Südosten der Stadt entstand, jedoch erst acht Jahre später als Reichsbahn-Ausbesserungswerk Braunschweig in Betrieb ging. Dieses Werk sollte die Lokomotivinstandsetzung der alten Hauptwerkstätten von Braunschweig, Halberstadt und Magdeburg-Buckau übernehmen.

Zwar waren schon zur Mitte der 1920er-Jahre die Bauarbeiten für das neue Braunschweiger Werk im Wesentlichen abgeschlossen, hingegen fehlten wegen der wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten jener Zeit die Finanzmittel für die maschinentechnische Einrichtung der Lok-Richthalle und der Kesselschmiede. Außerdem sah die Reichsbahn wegen der lahmenden Verkehrskonjunktur neuerdings gar keinen Bedarf für ein zusätzliches Werk dieser Größe. Daher erwog sie ernsthaft einen Verkauf!

Weil sich aber kein Käufer fand, entschloss sich die Reichsbahn, die neuen Werkhallen mit altbrauchbarem Gerät aus den bisherigen Werken Braunschweig, Halberstadt und Magdeburg-Buckau auszustatten. Von diesen Werken wurde auch ein Großteil des Personals übernommen.

Werk für die Dampflok-Elite
Bei seiner Inbetriebnahme 1927 gehörten zum RAW Braunschweig 558 Arbeiter und 83 Beamte. Der Bestand der zur Unterhaltung zugeteilten Dampflokomotiven war zunächst sehr unterschiedlich zusammengesetzt: Von der alten Braunschweiger Hauptwerkstatt übernahm das RAW vorübergehend eine größere Anzahl von kleinen Nassdampf-Güterzugloks.

Von Magdeburg-Buckau kamen die Heißdampf-Güterzugloks der Gattungen G 82 und G 10. Außerdem hatte das neue Werk ein Kontingent der in der Unterhaltung sehr anspruchsvollen Mehrzylinder-Schnellzugloks der Gattungen S 10, S 101 und S 102 zu betreuen.

Der Trend wurde jedoch durch die in Auslieferung befindlichen Einheits-Schnellzugloks der Baureihen 01 und 03 bestimmt, die im RAW Braunschweig allmählich die älteren Gattungen ablösten und wichtigste Baureihen wurden. Dies kommt auch im Unterhaltungsbestand des RAW Braunschweig vom Jahr 1938 zum Ausdruck, als dort rund 1.300 Mitarbeiter tätig waren.

140 km/h und schneller
Der Status des RAW Braunschweig passte ideal zur Propaganda der nationalsozialistischen Machthaber, weil es einerseits durch seine Modernität und Geräumigkeit, vor allem aber durch seine Elitestellung auf dem Sektor der Schnellzuglok-Unterhaltung eine herausragende Position einnahm.

Das geht aus der RAW-Festschrift von 1938 hervor, wo es auf Seite 40 heißt: „Wir müssen uns stets vor Augen halten, dass unser Werk dasjenige ist, das in Deutschland die weitaus größte Zahl Schnellzuglokomotiven und die schnellsten Dampflokomotiven überhaupt – 05-Stromlinienlokomotiven – erhält. Es ist dies für uns eine große Ehre, aber auch eine große Verantwortung. Die hier ausgebesserten Lokomotiven laufen 140 und mehr km/h!“

Der Elite-Status wurde noch mehr gesteigert, als man bald dem RAW Braunschweig auch noch Stromlinienloks der Baureihen 0110, 0310, 06 und 61 zuteilte.
Kriegswirtschaft
Der von den Nationalsozialisten entfesselte Zweite Weltkrieg hatte gravierende Auswirkungen auf die Durchführung des Eisenbahnbetriebes, die Produktion der Lokomotivindustrie sowie auf die Tätigkeit der Ausbesserungswerke. Der Güterverkehr schwoll infolge der auf Hochtouren laufenden Rüstungsproduktion an, sodass die Industrie Güterzuglokomotiven in sehr großen Stückzahlen fabrizierte.

Zunächst wirkte sich diese Tendenz auf die Tätigkeit des RAW Braunschweig weniger aus, weil die dort unterhaltenen rund 300 Schnellzugloks der Baureihen 01, 03 und 17 auch im Kriegsverkehr dringend benötigt wurden. Zu diesen gesellten sich etwa 50 nagelneue Güterzugloks der Baureihe 41. Ab 1942 wurden im RAW Braunschweig aber auch Abnahmeuntersuchungen an Übergangs-Kriegslokomotiven der Baureihe 50 ÜK, ab 1944 solche an Kriegsloks der Baureihe 52 durchgeführt. Wahrscheinlich wurden 50er und 52er auch in Braunschweig ausgebessert.

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