50 Jahre S-Bahn in Wien

Im Jahr 2010 wurden 62 Millionen Fahrgäste gezählt! Dabei waren vor 50 Jahren selbst einige Fachleute der ÖBB skeptisch: Kann eine Schnellbahn in Österreichs Hauptstadt sinnvoll sein?

 
Im Juli 1995 konnte der Triebkopf der Garnitur 4030.210 mit bereits neu lackierten Zwischenund Steuerwagen auf der Brücke am Donaukanal fotografiert werden © Lok-Magazin
Im Jahr 1954 beauftragte der damalige österreichische Verkehrsminister Karl Waldbrunner die Österreichischen Bundesbahnen, im Rahmen des Wiederaufbaues der im Krieg zerstörten Wiener Verbindungsbahn auch das Projekt für eine Schnellbahn zu entwickeln. Die Direktion Wien legte daraufhin 1955 das Konzept für eine Stammstrecke zwischen Meidling und Floridsdorf vor, welches dem dringenden Bedarf der bis dato fehlenden günstigen Verbindung zwischen den südlichen und nördlichen Wiener Bezirken entsprach.

Nachdem zwischen dem Bund und der Stadt Wien ein Abkommen für die Finanzierung dieses Vorhabens abgeschlossen und ein künftiger Gemeinschaftstarif zwischen S-Bahn und Straßenbahn vereinbart wurde, konnten noch im selben Jahr die Bauarbeiten aufgenommen werden.

Der Bahnhof in Floridsdorf wurde 400 Meter stadteinwärts verlegt und ergab bei gleichzeitiger Verlängerung einiger Straßenbahnlinien ein neues Verkehrszentrum. Die bei Kriegsende gesprengte Nordbahnbrücke konnte nach einem Neubau am 31. Mai 1959 wieder in Betrieb genommen werden und ermöglichte einen, vorläufig zwar noch mit Dampflokomotiven betriebenen, Personenverkehr zwischen Floridsdorf und Praterstern.

In diesem Abschnitt erfolgte anschließend der Bau der Haltestellen Strandbäder (1964) und Traisengasse (1962). Am Praterstern wurde am 1. Juni 1959 das inmitten eines Straßen-Kreisverkehrs erbaute neue Bahnhofsgebäude eröffnet, welches den ehemaligen Nordbahnhof ersetzte und ebenfalls gute Umsteigemöglichkeiten zu anderen Verkehrsmitteln bot.

Die ehemalige Haltestelle Radetzkyplatz an der Verbindungsbahn wurde wegen der zu kurzen Bahnsteige nicht aktiviert, der danach folgende Bahnhof Hauptzollamt erhielt jedoch einen Generalumbau. Wegen der vorhandenen drei Straßenbrücken musste dabei das Schienenniveau um einen halben Meter abgesenkt werden, um eine künftige Elektrifizierung zu ermöglichen.

Mit Eröffnung der S-Bahn 1962 erfolgte analog zur Stadtbahnstation die Umbenennung in Bahnhof „Landstraße“. Im weiteren Verlauf der Stammstrecke wurde am 23. Mai 1971 noch die Haltestelle „Rennweg“ eröffnet, wodurch auf der dort abzweigenden ehemaligen Eisenbahn Wien – Aspang ein Halt im Aspangbahnhof entfallen konnte.

Der wichtigste Umbau betraf die Neutrassierung der Verbindungsbahn ab dem Gürtel zum Südbahnhof, wo die unterirdisch angelegte gleichnamige Station nun das direkte Umsteigen zur Südbahn ermöglichte. Es folgt nach etwa 600 Metern die ebenfalls in Tieflage errichtet Haltestelle „Südtirolerplatz“ und die erst 1969 eröffnete Haltestelle „Matzleinsdorferplatz“, bevor im Bahnhof Meidling der vorläufige Endpunkt des ersten Schnellbahnbetriebes erreicht wurde.

Festakt im Winter 1962
Zur Eröffnung der Schnellbahn fand am 17. Januar 1962 in der Halle des Südbahnhofes ein Festakt mit Ansprachen von ÖBB-Generaldirektor Maximilian Schantl, Verkehrsminister Karl Waldbrunner, Bürgermeister Franz Jonas und Bundespräsident Adolf Schärf statt.

Anschließend wurde ein Festzug, bestehend aus den Garnituren 4030.201 und 4030.202 nach Meidling geführt und danach auf der Fahrt bis Floridsdorf in jeder Station angehalten, um den jeweiligen Bezirksvorstehern Gelegenheit für kurze Ansprachen zu geben und dem zahlreich erschienenen Publikum das neue Verkehrsmittel zu präsentieren.

Im weiteren Verlauf fuhr die Doppelgarnitur nach Gänserndorf, wo als historisches Gegenstück eine Dampflok der Reihe 52 aufgestellt war und ebenfalls ein Festakt mit Vertretern der Gemeinde und des Landes stattfand. Nach der Rückkehr nach Floridsdorf veranstaltete man noch eine weitere Fahrt bis Stockerau, wo nach einer Begrüßung durch den Bürgermeister die Eröffnungsfeierlichkeiten beendet wurden. Der öffentliche Fahrgastbetrieb begann nach einigen Leerwagen-Testfahrten noch am selben Tag.

Für die Schnellbahn wurde auch ein spezielles Logo geschaffen. Es sollte Tempo symbolisieren und bestand aus einem stilisierten (eckigen) „S“ auf dunkelblauen Untergrund. Ab 2008 kam die Variante mit abgerundetem „S“ auf einem helleren blauen Hintergrund zur Anwendung.

Das neue Verkehrssystem, dem damals viele „Fachleute“ – sogar aus höchsten ÖBB-Kreisen  – wenige Chancen einräumten, entwickelte sich zu einem ungeahnten Erfolgsmodell und wurde seither auf allen von Wien ausgehenden Bahnstrecken im Nahverkehr eingeführt. Anfänglich gab es keine Liniensignale, erst mit der Einführung des „Verkehrsverbunds Ost-Region“ (VOR) im Jahr 1984 kam es zur Vergabe von Liniennummern (S 1, S 2, S 3, S 7, S 15, S 40, S 45, S 50, S 60 und S 80).

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