Auf nach Sylt!

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Die neue Grenze hatte enorme Auswirkungen auf den zwischenzeitlich stark gewachsenen Verkehr von und nach Sylt. Wer auf die Insel wollte, war bisher über die Hauptstrecke bis Tondern gefahren, dort auf die Nebenbahn nach Hoyer Schleuse umgestiegen und weiter mit dem Schiff – je nach Wetter und Gezeiten mehr oder weniger schnell – nach Sylt gereist. Doch dieser Weg führte nun plötzlich durch das Ausland und wurde dadurch noch komplizierter, als er es ohnehin schon war.

Zwar wurde die zunächst herrschende Visumpflicht bald durch einen Korridorverkehr mit versiegelten Wagen und streng bewachtem Umsteigen ersetzt, doch auf längere Zeit war auch das ein für Deutschland und Dänemark unhaltbarer Zustand. Zudem deutete sich eine noch weitere Zunahme des Urlauberverkehrs in die Sylter Seebäder an, und die Insel rückte zunehmend in den Fokus des militärischen Interesses. Kurz: Der Druck, Sylt auf direktem Wege an das deutsche Festland anzubinden, war nun so groß wie nie zuvor.


Eine alte Idee erwacht wieder

So holte man ein bereits vor dem Ersten Weltkrieg erstmals angegangenes, aber dann wieder fallen gelassenes Projekt nochmals aus den Schubladen: Ein mächtiger Damm durch das Wattenmeer sollte nicht nur die umständlichen Formalitäten bei der Reise durch Dänemark ersparen, sondern auch einen ganzjährig passierbaren, von Wetter und Gezeiten weitgehend unabhängigen und vor allem auch schnelleren Weg nach Sylt ermöglichen. In Niebüll sollte eine neue Zufahrtsstrecke zum Damm von der bestehenden Marschbahn abzweigen.

Bereits 1923 – also drei Jahre nach der Grenzverschiebung – begannen die Dammbauarbeiten, jedoch gefolgt von baldiger Ernüchterung. Denn nach vier Monaten Bauzeit zerstörte eine der berüchtigten Nordsee-Sturmfluten alles, was die Arbeiter bis dahin geschaffen hatten. In einem zweiten Versuch ab Frühjahr 1924 setzte man schließlich die Erkenntnisse aus der Flut um und verlegte die Trasse ein Stück nach Norden. Hölzerne Bohlen wurden in den Wattboden gerammt und verzimmert, so dass eine Spundwand entstand, die wiederum mit Pfahlreihen verbunden und mit Granitsteinen gesichert wurde. Trockener Boden vom Festland wurde zwischen Spundwand und Pfahlreihen geschüttet, so dass eine Böschung entstand. Auch durch Aufspülen eines Sand-Wasser-Gemisches wuchs das Bauwerk weiter. Schnellstmöglich schaffte man nun schwere Granit- und Basaltsteine herbei, um den Damm gegen die Kräfte des Meeres zu sichern.

Das alles zahlte sich aus: Zwar schritt der Bau  insgesamt nur langsam voran, jedoch blieb die Konstruktion dieses Mal stabil. Um Zeit zu gewinnen, baute man ab 1925 zusätzlich auch von Sylt her ins Wattenmeer hinein. Die Materialien hierfür gelangten mit Schiffen von Husum aus auf die Insel. Sowohl dort als auch auf dem Festland dienten schmalspurige Materialbahnen dem Transport von Baustoffen und Arbeitern. Bis zu 1.500 Männer waren zeitweise auf der Großbaustelle eingesetzt. Leistungsstarke Bagger und zahlreiche Schiffe trugen ebenfalls zum Gelingen bei.

Am 15. September 1925, um 5.30 Uhr, war der rund elf Kilometer lange Damm vollständig geschlossen. Vier Tage später fuhr der erste durchgehende Arbeiterzug. Es folgten noch weitere Befestigungen und der bahntechnische Ausbau, ehe Reichspräsident Paul von Hindenburg die Strecke am 1. Juni 1927 feierlich eröffnete und als erster offizieller Passagier in einem von der 17 1201 bespannten Zug nach Sylt reiste. Rasch bürgerte sich die Bezeichnung „Hindenburgdamm“ ein, obwohl dies zunächst gar nicht vorgesehen war.

Von vornherein war der Damm für zwei Gleise ausgelegt. Gebaut wurde aber zunächst nur eines. Eine Kreuzungsmöglichkeit bot der neue Betriebsbahnhof „Hindenburgdamm“, der sich mitten auf dem Damm befand. Dieser einsam gelegene Arbeitsplatz war bald auch unter dem scherzhaften Namen „Villa Meeresblick“ bekannt.

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