Baureihe 120.1

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Die erste Abnahme einer Lok erfolgte bei der 120 101 am 29. Juni 1987. Im Juli 1987 wurde die Baureihe 120.1 im Rahmen einer Feier im Bw Nürnberg Rbf schließlich offiziell dem Betriebsdienst übergeben. An der Drehscheibe hatten Vertreterinnen von sechs Baureihen (103 117, 111 227, 120 005, 150 036, 151 150, 194 578) Aufstellung genommen und begrüßten mit langem Pfeifen die 120 104, die auf der Drehscheibe eine Ehrenrunde drehte. Man könnte auch sagen, dass die Loks ihren eigenen Abschied einläuteten, denn mit der 120.1 schien zum Greifen nahe, wovon der Betriebsdienst seit je her schwärmt: Eine Universallok für jeden Einsatzzweck. Die 120.1 war dafür denkbar geeignet. Dass es anders kam, lag nicht an den Lokomotiven, sondern an der kaufmännischen Entscheidung, verschiedene Geschäftsbereiche einzuführen, von denen jeder über eigene Lokomotiven verfügt.

In der Folgezeit wurden die ersten Maschinen stolz von Ausstellung zu Ausstellung gereicht. Ab September waren die 120.1 zu Personalschulungszwecken häufiger vor IC nach Stuttgart unterwegs. Aber erst ab Oktober 1987 kam ein regelmäßiger Einsatz zustande, obwohl schon zum Sommerfahrplan 1987 drei Umlaufpläne für 18 Lok aufgestellt worden waren.

Der Einsatz vor den IC zwischen München und Hamburg (via Augsburg/Würzburg, damit kein Lokwechsel erforderlich wurde) über die Neubaustrecke begann dann zum Sommerfahrplan 1988. Vier Jahre legte die 120.1 in diesen Diensten tausende von Kilometern zurück, bis 1991 die Einführung des ICE die IC-Linie München – Hamburg ersetzte. Durch den Ausbau des ICE-Netzes und die wiederholten Änderungen im IC-Netz wandelten sich die Einsatzbereiche der 60 Maschinen immer wieder, erstrecken sich aber nach wie vor über das gesamte Bundesgebiet.

Auch die weitere Karriere der 120.1 verlief nicht pannenfrei. So mussten alle Lokomotiven wegen Softwareproblemen schon im September 1987 wieder aus dem Verkehr gezogen werden. 1988 zeigte sich, dass ein Nothalt in den langen Tunnels der Neubaustrecken wenig sinnvoll ist, so dass eine Bremsüberbrückung eingebaut werden musste, wofür wiederum alle Loks z-gestellt wurden.

Im Juni 1988 brannte die 120 114 im Bw München Hbf vollkommen aus. Ebenfalls 1988 bereitete aus den Getriebeschutzkästen austretendes Öl Kopfzerbrechen. Verdrehen der Fahrmotorritzel und Störungen der LZB durch Radschlupf waren zwei weitere Probleme. Schließlich verzögerte sich die Abnahme der letzten drei Maschinen um sechs Monate, weil sie bei einem Brand der Abnahmehalle in Freimann so stark verrußt wurden, dass zur Reinigung die vollständige Zerlegung nötig war. Mehr Pech geht kaum …

Nach wenigen Jahren traten Risse in Rahmen und Drehgestellen auf, die aufwändige Schweißarbeiten erforderlich machten. In mühevoller Kleinarbeit gelang es, nach und nach alle Probleme zu beheben. Dass sich unter der Haube eines 401 nichts anderes als die Technik einer 120.1 verbirgt, könnte die Baureihe 120.1 vor einem allzu raschen Ende bewahren. Durch den Philosophiewechsel weg von lokbespannten Wagenzügen hin zu Triebzügen steht die kleine Serie von nur 60 Lokomotiven vor einer ungewissen Zukunft. Immer wieder hört man von Überlegungen des Geschäftsbereichs Fernverkehr, die Loks abzugeben. Interesse an den Loks signalisierte auch DB Autozug.

Der Umbau von fünf Maschinen für den Einsatz im Regionalverkehr (120.2: Hamburg – Rostock) offenbart eine weitere Option. Dass die 120.1 heute als Reservelokomotiven an sieben Knotenpunkten dienen und auch vor Nahgüter- und Abstellzügen im Einsatz sind, macht deutlich, dass die besten Jahre der Baureihe 120 vorüber sind. Planmäßig werden 26 Maschinen in drei Umlaufplänen eingesetzt. Die durchschnittliche Tageskilometerleistung im 24-tägigen Hauptplan liegt bei nur 554. Am besten beobachten lassen sich die Loks, die auch vermehrt wieder im Güterverkehr anzutreffen sind, übrigens in Hamburg, Stuttgart und Frankfurt (Main), die von vielen Leistungen berührt werden.

Ein Artikel aus LOK MAGAZIN 07/08

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